Plattenlabel ECM im Haus der Kunst
"Free at last" ist jetzt museumsreif
Musik im Museum? Das Münchner Jazzlabel ECM ist eine Legende, doch als Thema einer Ausstellung schien es bislang schwer vorstellbar. Das Haus der Kunst versucht es trotzdem.
Die sogenannte Oktoberrevolution im Jazz war ein erster Versuch, die Produktionsbedingungen in der neuen Musik umzustürzen. Sie fand um das Jahr 1964 herum statt und hatte zum Ziel, dass Musiker selbstbestimmt, also frei von den Bedingungen der Musikindustrie, spielen, aufnehmen und verlegen können - ohne dabei zu verhungern. Das Motto hieß: "Eine Institution kann man nicht umbringen, ein Individuum schon.“ Künstler schlossen sich zusammen, die den Plattenfirmen und ihren Knebelverträgen entkommen wollten. Es war die Geburtsstunde alternativer Geschäftsmodelle. Überall brodelte es: kulturell, politisch, soziologisch - und der Free Jazz schickte sich an, die alten, "vorschriftsmäßigen" Strukturen des harmonischen Zusammenspiels in Frage zu stellen, vor allem in den USA.
Dann kam Manfred Eicher. Als Europäer wollte er es nochmal ganz anders machen. Er gründete 1969 das Plattenlabel ECM (Edition of Contemporary Music). Er folgte der Oktoberrevolution des Jazz, doch er setzte mit seinem neuen Label vor allem auf die Kriterien künstlerische Qualität und musikalische Bandbreite.
So gab es bei ECM von Anfang an frei improvisierte, aber auch komponierte Musik, und es spielten Musiker, die beides beherrschten. "Wir wussten, dass wir uns in dieses nimmer-nimmerland begeben. Es entstand viel Neues damals. Mitunter herrschte aber auch großes Chaos und nicht alles war Gold, aber es gab Rohdiamanten", so Manfred Eicher dazu heute.
Einer der ersten Titel auf ECM war "Free at last", vorgeschlagen von dem Pianisten Mal Waldron. Er verwies damit auf die lange gemeinsame Geschichte von Musik und Freiheitsbewegung. Von Anfang an eine wichtige Rolle bei ECM spielte auch die Gestaltung von LP-Covern, man entwickelte eine eigene grafische und visuelle Sensibilität.
Manfred Eicher: "ECM entwickelte sich ohne Geschäftsplan. Das Konzept war, das es uns allen gefällt. Wir ermöglichten es, Musikern unterschiedlicher Regionen und Kulturen zusammenzukommen, und erlebten, dass sie sich gegenseitig inspirierten. Nichts war geplant. Die Dinge haben sich langsam und wie von selbst entwickelt. Vertrauen und gegenseitiger Respekt gehören sicher zu den Grundlagen. Geld hat nie eine große Rolle gespielt. Wenn wir Geld hatten, machten wir neue Platten. Hatten wir keines, warteten wir bis wieder etwas hereinkam. Es ging immer um künstlerische Fragen und um die Freiheit, etwas im Studio gemeinsam zu entwickeln. Die Geschäftsbasis waren nicht Exklusivverträge, sondern eine musikalische Freundschaft, die auf Vertrauen und Offenheit beruhte, und deshalb bleiben uns die Leute über so lange Zeiträume treu."
Heute steht die Geschichte von ECM für den Traum vom Machbaren. Sie kann unbekannte Künstlern ermutigen, ihren Weg weiterzugehen. Ohne die Marketingstrategien der industriellen Verwerter.
In der Ausstellung im Haus der Kunst können die Besucher die Geschichte von ECM erforschen und in Klangräume eintauchen. Die Bandbreite ist groß - und plötzlich versteht man, wie Musik im Museum funktionieren kann.
"ECM - eine kulturelle Archäologie" im Haus der Kunst, bis 10. Februar 2013
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