Viel buntes Licht und kleine Schatten – die Dreigroschenoper im Volkstheater

von Florian Haamann

Peachum (Stefan Ruppe) und seine Bettler Foto: Arno Declair

Zwölf ausverkaufte Vorstellungen, schon bevor die Moritat von Mackie Messer zum ersten Mal gesungen wurde. Christian Stückls Dreigroschenoper am Volkstheater könnte sich zum Publikumsliebling des Theaterjahres 2011 entwickeln. Unser Eindruck nach der Premiere: Ja, das könnte klappen.

Sehnen sich die Münchner nach sozialkritischem Theater? 7000 vorverkaufte Eintrittskarten für Brechts Klassiker sind jedenfalls ein deutliches Signal an die Münchner Theaterlandschaft. Offenbar hat das Publikum eine neuentdeckte Lust auf lange verschmähte Stoffe jenseits des Kanons. Vor allem, wenn sie mit der klaren Handschrift eines Christian Stückls versehen werden. Der große Andrang lässt sich also nicht nur auf die Dreigroschenoper und den Mythos Bertolt Brecht zurückführen, sondern auch auf den Regisseur: Christian Stückl, den großen Passionsspielleiter. Böse Zungen könnten also behaupten: Die Münchner rennen nur deswegen wie verrückt in diese Inszenierung, um in 20 Jahren beim Weißwurstfrühstück behaupten zu können, damals bei der Dreigroschenoper vom Stückl dabei gewesen zu sein. Trotzdem: die Zuschauer erwartet eine opulente und sehenswerte Aufführung.

Den Rahmen dafür bildet das wunderbare Bühnenbild von Stefan Hageneier, sonst Ausstattungsleiter am Bayerischen Staatsschauspiel.

Im Zentrum steht eine riesige Fratze als Firmenlogo des Bettlerkönigs Peachum (Stefan Ruppe), die sich drehen und hochgeklappt werden kann. Aus dem Rachen dieser Kulisse dürfen alle Hauptpersonen mindestens einmal herauskriechen. Ausgekotzt vom Kapitalismus sozusagen. Im Bühnenhintergrund: ein anfangs verkleidetes Gerüst mit der Aufschrift „Honey Island“. Im zweiten Teil der Inszenierung fällt der Stoff, das Holzgerüst wird zum Kolosseum und bereitet die Bühne, auf der mit Mackie Messer (Pascal Fligg) abgerechnet werden soll.

Kunsttitten und Kräuterzigaretten: Stückls Abendmahl Foto: Arno Declair

Die Spelunke der Prostituierten besteht ganz reduziert aus einem langen Tisch. Die illustere Runde, die sich dort versammelt, besteht aus sieben Huren mit entblößten Kunstbrüsten und Mackies fünfköpfiger, charmant-ungehobelter Verbrecherbande, die fleißig an den Plastiktitten fummelt. Zusammen bilden die Zwölf ein Bild, das Da Vincis "letztem Abendmahl" ähnelt.

Begeistern dagegegen kann die „Alien Combo“ rund um den Notwist-Sänger Micha Acher. In abgewetzten Uniformen der Sgt. Peppers Lonely Hearts Club Band sitzen die acht Musiker zwischen Bühne und Publikum und sorgen, streng nach Kurt Weill, für die passende musikalische Begleitung.

Im ersten Teil der Inszenierung gibt das Ensemble mächtig Gas, es hetzt von einer Szene in die nächste. Das alles macht beim Zuschauen zwar relativ viel Spaß, wirkt aber dennoch jeweils recht statisch und insgesamt noch ziemlich zerrüttet. Der zweite Teil startet wesentlich gemächlicher, nach der furiosen Show des ersten Teils hat man ständig das Bedürfnis, die Schauspieler zu ermutigen, doch endlich den Fuß von der Bremse zu nehmen.

Streiten um den Verbrecherkönig (Pascal Fligg): Kristina Pauls, Sybille Lambrich Foto: Arno Declair

Erst gegen Ende nimmt das Geschehen auf der Bühne dann wieder Fahrt auf, beim großen Finale stimmt wieder alles. Auch das Ensemble spielt sich im Laufe des Abends immer besser aufeinander ein. Den Höhepunkt der Ensembleleistung bildet das grandiose Eifersuchtsduett zwischen Mackies Gespielinnen Lucy (Kristina Pauls) und Polly Peachum (Sybille Lambrich). Sybille Lambrich feiert als Neuzugang und Küken (Jahrgang 1988) des Volkstheaterensembles einen guten Einstieg. Überhaupt überrascht diese Volkstheaterinszenierung durch die starken Einzelleistungen der Schauspieler. Herauszuheben ist dabei vor allem Stefan Ruppe als zynischer Egomane Peachum. Wunderbar, trocken und unwiederlegbar. Während alle anderen in diesem Stück sich wunderbar gerechtfertigt fühlen durch ihre Not und dabei nur reden und reden handelt er - und lässt ihnen damit die Luft raus.

Was bleibt also nach diesem dreistündigen Brecht-Stückl Abend? Das Gefühl, eine trotz kleiner Schwächen gute Inszenierung gesehen zu haben, die sich mit Sicherheit in den nächsten Wochen noch stark entwickeln wird und an der eine Menge Münchner mächtig viel Freude haben wird.

Fotos: Arno Declair

Veröffentlicht am: 23.01.2011

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mick
24.01.2011 14:38 Uhr

Der Mann hiess Bertolt Brecht. Mit drei T.

Nur so als Basisinformation.

Florian Haamann
24.01.2011 15:15 Uhr

Vielen Dank für den Hinweis, haben die Peinlichkeit gleich ausgebessert.

Mick
24.01.2011 16:30 Uhr

;-)