Britisches Gastspiel - Das London Symphony Orchestra im Gasteig
Es fällt schwer, sich an einen ähnlich grandiosen Auftritt im Gasteig zu erinnern, trotz ständiger Präsenz der Elite-Musikanten des BR oder der Münchner Philharmoniker. Am Freitag aber war das London Symphony Orchestra in München zu Gast und hat einen mächtigen Eindruck hinterlassen.
Dass das London Symphony Orchestra zu den Besten der Welt zählt, ist auch in München hinreichend bekannt. Diesmal aber klappte einfach alles.
Ein Dirigent, der sich auf Werke beschränkte, die er im Blut hat. Und Musiker, die ihm bedingungslos folgten.
Seit vier Jahren ist Valery Gergiev Chef an der Themse. Dass er mit Kompositionen aus seiner Heimat punkten will, kann ihm niemand verübeln. Auch wenn er sich mit Tschaikowskys erster Symphonie und Mussorgskys „Bildern einer Ausstellung“ Werke ausgesucht hatte, über die Klassik-Fans hierzulande womöglich die Stirne runzeln.
Dabei hätte vor allem Tschaikowskys Op.13 („Winterträume“) verdient, öfter aufgeführt zu werden. Die mit viel Folklore angereicherte melodische Palette ist voller Überraschungen. Gergiev und sein Orchester vollbrachten wahre Wunderdinge. Eine Menge war zu bestaunen: die Ausgewogenheit zwischen den Instrumentengruppen, die sensiblen Holzbläser, das energische Blech, die Kunst, auch in den leisen Momenten Ausdrucksintensität zu entwickeln.
In Mussorgskys „Bildern“ verwies Gergiev mit Nachdruck darauf, dass der Franzose Ravel das Stück des Russen lediglich instrumentierte. Charme oder Raffinement blieben ausgespart. Es wurde prall und deftig musiziert. Doch auch wenn das Orchester kräftig zur Sache ging, klang es nie lärmend oder schrill. Die so oft gescholtene Gasteig-Akustik war kein Thema – eine weitere überraschende Erkenntnis eines faszinierenden Konzertabends.
Volker Boser