Bordell-Sofa und Regierungstisch - Shakespeares Henry IV im Theater Viel Lärm um Nichts
Heinrich, mir graut vor Dir!“ Das darf nicht nur Gretchen zu Faust sagen, sondern auch der Zuschauer zu den beiden Heinrichen, die Shakespeare in seinen zwei Königsdramen „Henry IV“ porträtiert: Den Usurpator Heinrich IV., der seinen Vorgänger Richard II. ermordet hat und danach seine Adels-Verbündeten und das Volk grausam unterdrückt, sowie sein missratenes Sohnes-Früchtchen, das sich vom kriminellen Vorleben später als Heinrich V. kriegerisch rehabilitiert.
Damit das nicht zu unsympathisch wird, hat Shakespeare dem wilden Jung-Schläger Henry den feigen Alt-Schlawiner Falstaff zugesellt - einen skrupellos hedonistischen Existenz-Philosophen, dem nichts näher ist als der eigene übergroße Wanst. Im Theater Viel Lärm um Nichts sucht Regisseur Andreas Seyferth mit „Henry IV“ die Balance zwischen schwerer Königs-Tragödie und leichter Schelmen-Groteske. Dank Joachim Bauer als Falstaff schlägt das Pendel trotz einiger Längen auch zur Komödie aus.
Rechts ein Bordell-Sofa, links ein Regierungstisch, sonst ist die Bühne leer. Abstrakte weißgraue Bilder suggerieren je nach Fantasie Wald, Schlachtfeld oder Palast (Raum und Licht: Stephan Joachim). Trotz Margrit Carls' wie immer kluger Textfassung dauert's etwas, bis man kapiert, warum Henry Percy „Heißsporn“ (noch ein Heinrich, vor dessen Blutdurst einem graut) mit seiner Verwandtschaft gegen den König rebelliert. Sven Schöcker spielt den Aufrührer mit terroristischem Fanatismus. Hubert Bail gibt den alten, maroden King Henry IV sorgenbeladen, während sein arroganter Sprössling (Hannes Berg) sich mangels U-Bahn nachts im Wald als Baseball-Schläger betätigt. Dazwischen klirren Harnische und Alu-Schienen als Schwerter, und für die Rüpelszenen müssen bayerische Bierdimpfl herhalten (Joachim Vollrath macht das gut). Aber die von Männern gespielten Frauen sind leider nur peinliche Chargen.
Zum Glück ist da Joachim Bauer: Er trägt Falstaffs Bauch als umgeschnalltes Plumeau genauso nonchalant vor sich her wie seine Lügen, Prahlereien und das Bekenntnis zu jedem Betrug. Seine lockere, komödiantische, sokratische Heiterkeit stellt alle grausigen Heinriche ins Abseits.
Gabriella Lorenz
Theater Viel Lärm um Nichts, Do - Sa, 20 Uhr, Tel. 834 20 14