Händels "Deborah" in Bayreuth
Mit Hammer und Nagel den Garaus gemacht
In Bayreuth gastierte das Amsterdam Baroque Orchestra mit Chor, samt Countertenor Jakub Józef Orlinski im Ensemble. Die Niederländer zeigten Händels "Deborah", was selten ist und als barocker Hochgenuss Applaus erntete. Wenn nur die Handlung nicht so unpassend wäre.

Jakub Józef Orlinski (Mitte) und seine Mitsänger Sophie Junker und Wolf Matthias Friedrich. Foto: I. Winklbauer
Das Geschehen entspinnt sich wie folgt: Unter Weissagung der Richterin und Prophetin Deborah (Sophie Junker) ziehen die Israeliten gegen die Kanaanäer in einen Glaubenskrieg. Sie schlagen Verhandlungsangebote aus, der junge Feldherr Barak (Orlinski) besiegt die Gegner mit ihrem Feldherrn Sisera (Sophia Patsi) in einer blutigen Schlacht. Sisera wird mit einem großen Nagel durch die Schläfe auf den Boden genagelt. Ende. Kritische Worte über Israels aktuelle Netanjahu-Regierung, die gerade die Palästinenser in Gaza dezimiert, waren da bald im Publikum zu hören, und auch das Wort "Propaganda". Ein anderer Stoff wäre klüger gewesen. Aber die Waage der Publikumsgunst neigte sich trotzdem zugunsten des Oratoriums (nicht Oper!). Händels Komposition geht ins Ohr, die Interpretation des Orchesters unter Ton Koopman ist präzise und temperamentvoll.
Allen voran brilliert in "Deborah" Jakub Józef Orlinski, der polnische Countertenor, der auch Breakdance beherrscht. In dieser Inszenierung gibt es keine Kopfpirouette von ihm, dafür aber als Barak die beste Stimme der Aufführung. Seine Repliken singt er hell und klar, jede Note auf den Punkt genau wie die Schweizer Eisenbahn. Einmal schwebt seine Stimme alleine, ohne Orchester, im Theaterhaus mit hölzernen Wänden, Balustraden und Böden – ein Traum. Nebenbei rettet Orlinski die Vorstellung mit Show-Einlagen von der Seite. Das Stück wird szenisch gesungen, und während er und seine Mitsänger auf Stühlen auf den Einsatz warten, wippt er beim Chorgesang mit, groovt mit dem Gesicht die Arien der anderen nach. Die Mitsänger tun es ihm unauffällig gleich, interpretieren das archaische Stück Barock alles weglächelnd als riesigen Spaß. Sophie Junkers Deborah ist über längere Strecken sogar kokett. Wolf Matthias Friedrichs jovialer Abinoam, Vater des Barak, würde ohne Not auch ins Ohnsorg-Theater passen. Bei Sophia Patsis sehr rauhem gegnerischen Feldherrn Sisera fragt man sich allerdings, ob die Reibeisen-Intonation der Rolle geschuldet ist oder der Natur ihrer Stimme. Als die Israelitin Yael verkündet, dem schlafenden Sisera mit Hammer und Nagel den Garaus gemacht zu haben, tut sie das mit fröhlicher Wichtigtuerei – und ist auch schon recht schnell wieder verschwunden.
Es gibt also eine ironische Brechung des Gemetzels. So steht Händels Musik, die er für "Deborah" aus allen möglichen älteren Stücken zusammengeschmiedet hat, im Mittelpunkt. Es musste schnell gehen im Februar 1733, der Komponist brauchte Geld. Für Neues blieb da nicht viel Zeit. Doch die Rechnung geht auf: Wie damals in London erweist sich das Werk auch in Bayreuth als Erfolg. Musik siegt über Kriegsgetöse.