15 Jahre Kurzfilmfestival „Bunter Hund“ im Werkstattkino
Hasso wedelt munter weiter
Auch Hunde werden alt. Mit 15 Jahren kann es schon bald vorbei sein im Leben eines Vierbeiners. Nicht so beim „Bunten Hund“: Das Internationale Kurzfilmfestival feierte sich selbst und seine Siegerfilme aus den vergangenen 15 Jahren mit einem Geburtstagswochenende (07. / 08. März 2014) im Münchner Werkstattkino.
Eigentlich startet der „Bunte Hund“, zu dem jedes Jahr bis zu 500 Filme querbeet aus allen Genres und Nicht-Genres eingereicht werden, jedes Mal erst im Herbst seine Festivalwoche im Werkstattkino. Nicht so in diesem Jahr: Ab sofort findet das Festival des kleinen, oft auch schrägen Films immer im März statt. Und weil seit dem letzten Mal einfach zu wenig Zeit für die Sichtung und Zusammenstellung eines neues Programmes war, entschieden sich die ehrenamtlichen Veranstalter diesmal für eine „Best of“-Ausgabe zum Jubiläum. Keineswegs eine Notlösung.
Zum Geburtstag nur das Beste
Schon seit 15 Jahren zelebriert das Internationale Kurzfilmfestival das Freche, Unkonventionelle und Mutige. Jedes filmische Hundeherz bekommt hier seinen Platz. Fernab von strikten Genremustern kann jeder Filmemacher seine Beiträge einreichen. Egal ob in HD, auf Video, Mini-Disk oder 35 Millimeter gedreht wird: Jedes Format wird vom unabhängigen Kurzfilmfestival akzeptiert. Ebenso breit ist das Themen-Spektrum der Einreichungen. Ob Dokumentar- und Animationsfilm, Kino-Essay, Spiel- oder Experimentalfilm: Hier findet jedes Filmchen sein Herrchen. Einzige Vorgabe ist die Filmlänge. „Maximal 20 Minuten“, erklärt Markus Mathar vom Festivalteam dem überwiegend jungen, studentischen Publikum zwischen den Filmen.
„Aus gutem Grund, weil wir zum Beispiel jedes Jahr aufs Neue zig Filme aus Finnland bekommen. Übles, unsägliches Zeug ist da schon mal dabei“, so Mathar, der eigentlich Physik studiert hat und seit zwei Jahren im Team ist. Die erste Reihe brüllt vor Lachen. „Und die Schweizer! Die sind auch immer für Überraschungen gut. Extrem gute Sachen bekommen wir regelmäßig von dort.“ Alternatives kommt hier gut an – nicht nur bei den Besuchern. Denn die pure Lust am Sehen steht im Mittelpunkt. „Wir sind ein armes Festival. Glamour gibt es wo anders“, betont Mathar während er die ausgeteilten Kugelschreiber im voll besetzten Kino wieder einsammelt.
Mitmachkino und Publikumsjury
Die Festivalgäste haben zu Beginn an der Kasse kleine Abstimmungszettel mit Smileys in die Hand bekommen. Die werden nun fleißig während den Moderationsstrecken ausgefüllt, auch wenn diesmal kein „Hasso“-Plüschhund als Hauptpreis und keine 500 Euro als Prämie verliehen werden, wie sonst üblich. Die Besucher machen trotzdem gerne mit. Bierernst geht’s wirklich nicht zu. Es herrscht eine lockere Wohnzimmeratmosphäre. Die zu spät Gekommenen sitzen entspannt auf dem Boden der Hinterhofkinos. Das kleine Bier gibt es schon für 1,50 Euro und wird direkt aus dem Kasten heraus verkauft. „Schon a bisserl schräg hier“, meint Claudia, eine Studentin, schmunzelnd - und prostet ihrer Freundin zu. Schon beim Eingang an der Treppe hat man das gemerkt: „Bei uns kommt die Kasse zu den Leuten und nicht umgekehrt“, ruft Kassenwart Markus Sauermann den Wartenden im Hinterhof zu und zaubert ihnen ein Grinsen ins Gesicht. Ein Gefühl von heiterer Anarchie macht sie breit.
„Wir sind geplättet, dass ihr so zahlreich da seid! Das wundert uns, ehrlich!“, sagt Noni Lickleder vom Organisationsteam. Und das nimmt man ihr ab. „Sollen wir wieder gehen?“ raunt einer aus der ersten Reihe zurück. Wieder lacht der ganze Kinosaal. Locker geht es zu beim „Bunten Hund“. Dementsprechend unkonventionell sind auch die Preisträger der letzten 15 Festivals: Zuerst läuft ein russischer Animationsfilm („Die Hard“) von Konstantin Bronzit, der Siegerfilm von 1999. In Schwarz-weiß und in nur eineinhalb Minuten werden unzählige Varianten gezeigt, wie in üblichen US-Actionstreifen filmisch gestorben und gemordet wird. Bizarr und verstörend. Krasser Auftakt. Danach „Hase & Igel“, eine dokumenarische Satire auf den Deutschunterricht für Migranten, die die bekannte Fabel quasi auswendig lernen und sich gegenseitig erzählen sollen. Unfreiwillig komisch, obwohl ernst im Thema.
Schlingensiefs Erben
Und schon erstürmt „Die Wurstverkäuferin“, ein bewusst laienhaft inszenierter Kurzspielfilm (2001), in dem sich ein Kunde in die Verlobte des Metzgermeisters verliebt, die Herzen des Publikums. Der Brüller des Abends. Hier wird in einer Sekunde ein Liebesgeständnis gemacht und in der anderen das Schlachten von Schweinen gezeigt. Eine offensichtliche Variation des „Deutschen Kettensägenmassakers“ von Christoph Schlingensief. Gemurmel und hörbare Abscheu in den vorderen Reihen.
Schon geht das Saallicht wieder aus und der nächste Film läuft an. Diesmal ein Beitrag von Tom Tykwer! Schlicht im Titel („True“) und berührend im Erzählgestus. Ja, auch ein Kurzfilm des mittlerweile international bekannten Regisseurs („Lola rennt“) läuft hier im Siegerprogramm. „Der war sich wirklich nicht zu schade, seinen Film bei uns persönlich einzureichen“, erläutert Moderatorin Nini Lickleder dem Publikum. Nein, das ist wirklich keine Überraschung mehr - bei einem so sehr überraschenden Programm. Ein wirklich bunter Reigen filmischen Schaffens: faszinierend, verstörend und im besten Sinne kurzweilig. Die Programmmacher haben mit ihrer Jubiläumsschau charmant bewiesen, dass ihr „Hasso“ die Zuschauer immer noch ordentlich fassen kann.
Simon Hauck