Ned Bensons Spielfilmdebüt "Das Verschwinden der Eleanor Rigby"

Vom Sterben einer Liebe

von Katrin Kaiser

Eine glückselige New Yorker Sommernacht: Da wirken Eleanor und Conor noch wie ein Paar, das ewig zusammenbleibt. Foto: Prokino Filmverleih GmbH

"All the lonely people / Where do they all come from?" heißt es im Beatles-Lied "Eleanor Rigby". Es geht darin um Einsamkeit und das Fehlen menschlicher Interaktion. Das stimmungsvolle Spielfilmdebüt des amerikanischen Regisseurs Ned Benson heißt „Das Verschwinden der Eleanor Rigby“ und hat mit diesem Lied nur entfernt zu tun. Bensons Protagonistin heißt Eleanor Rigby, weil ihr Vater den Nachnamen Rigby trägt und beide Eltern die Beatles mochten. Aber um schmerzhafte, unüberwindbare Einsamkeit geht es auch in dem Film.

Conor liebt Eleanor. Er ist hingerissen von ihr, verzaubert von ihrem sprühenden Charme und einfach überglücklich, dieses elfenhafte, geistreiche und erotische Mädchen an seiner Seite zu haben.

Diese federleicht-euphorische Verliebtheitsstimmung sprudelt dem Zuschauer in den ersten Szenen von Ned Bensons "Das Verschwinden der Eleanor Rigby" förmlich entgegen. In ihrer Unbeschwertheit sind diese wenigen Bilder aus den Anfangstagen der Beziehung zwischen Conor (James McAvoy) und Eleanor (Jessica Chastain) auf schmerzliche Weise wunderschön.

Im weiteren Verlauf des Films ist von der glückseligen Leichtigkeit des Anfangs jedoch kaum noch etwas zu spüren. Eleanor unternimmt einen Selbstmordversuch, zieht zurück zu ihren Eltern, schneidet sich die langen roten Haare ab, ihr hübsches weiches Gesicht ist hart geworden. Sie wirkt scheu und zerbrechlich. Jede gut gemeinte Frage nach ihrem Befinden und jede Kontaktaufnahme Conors weist sie brüsk zurück.

Als Zuschauer erfährt man lange nicht, was die Ursache für das Unglück dieses zu Beginn so glücklichen Paares ist. Erst als man bereits akzeptiert hat, dass sich die beiden offensichtlich einfach auseinandergelebt haben und Eleanor dieses nichtssagende Nebeneinanderherleben nicht mehr ausgehalten hat, wird ein Ereignis angedeutet, das in seiner Tragik das Sterben einer glücklichen Liebe und das Sich-Auseinanderleben der Liebenden weit übersteigt.

Wenigstens ein Lebenszeichen: Nach Wochen der Funkstille besucht Eleanor Conor in seiner Bar. Foto: Prokino Filmverleih GmbH

Der Film erzählt die Geschichte einer Tragödie, ohne die Tragödie selbst zu erzählen. Künstlerisch ist das eine sehr interessante Versuchsanordnung. Eine Prise höchsten Glücks stellt der Film einem Übermaß an erdrückendem Unglück gegenüber, ohne wirklich zu erzählen, wie es vom Einen zum Anderen gekommen ist. Er trennt die Emotionen von ihrer Ursache. Nur vage geht er auf das schreckliche Ereignis ein, welches das Paar auseinandergetrieben hat. Erzählt wird nicht die Geschichte dieses Ereignisses sondern die der beiden Menschen, die damit fertig werden müssen. Eleanor wählt den Weg der Verdrängung, der Distanzierung, der einsamen Trauerarbeit. Conor dagegen wird geplagt von der Einsamkeit, erträgt Eleanors Zurückweisung kaum, würde gerne in irgendeiner Form einen gemeinsamen Weg mit ihr beschreiten.

Was der Film zeigt, ist ein Paar am Ende seiner Beziehung: Er sucht ständig ihre Nähe, leidet wie ein Hund unter ihrer Abwesenheit, will reden, will gemeinsam aufarbeiten. Sie dagegen hält seine Nähe nicht mehr aus, will sich befreien von dem Ballast dieser Liebe, die gestorben ist.

In einer Szene beschreibt Eleanor, wie es sich zuletzt anfühlte, mit Conor zusammen zu sein: "Als seien wir im gleichen Raum kilometerweit voneinander entfernt.“ Die schmerzhafte, unüberwindbare Distanz zwischen zwei einstigen Liebenden ist das große Thema des Films. Dank der beeindruckenden Darsteller vermag man sich als Zuschauer seiner Intensität kaum zu entziehen. Man kann sowohl Conor als auch Eleanor gut verstehen. Und genau das ist auch die eigentliche Tragik dieser Geschichte: Jeder der beiden ist im Recht und keiner trägt wirklich Schuld am Scheitern ihrer Liebe.

Das schreckliche Ereignis, das Eleanor und Conor auseinandertreibt, hätte man in diesem hochemotionalen Film sogar weglassen können. Wenn dieses Paar da ganz für sich alleine stünde mit der Tragödie einer am Alltagsleben zerbrochenen Liebe, würde der Film an Glaubhaftigkeit und Intensität vielleicht sogar noch gewinnen.

Die Unbeschwertheit, die das Plakat suggeriert, ist im Film nur in wenigen Szenen spürbar. Foto: Prokino Filmverleih GmbH

Regisseur Ned Benson hat "Das Verschwinden der Eleanor Rigby" ursprünglich als zwei Filme konzipiert und produziert: "The Disappearance of Eleanor Rigby – Her" aus Eleanors Perspektive und "The Disappearance of Eleanor Rigby – Him" aus Conors Perspektive. Diese beiden Filme feierten ihre Premiere beim Toronto Filmfestival 2013; die zu einem Film verdichtete Version wurde bei den Filmfestspielen von Cannes 2014 zum ersten Mal gezeigt. Im Kino läuft nun nur diese dritte Version. Schade eigentlich, denn zu gerne würde man dieser traurigen Liebesgeschichte noch ein bisschen länger beiwohnen und sich noch ein bisschen mehr mit jedem einzelnen der beiden faszinierenden Protagonisten beschäftigen.

"Das Verschwinden der Eleanor Rigby" - Drama, USA 2014, 123 Minuten, Regie: Ned Benson, Darsteller: Jessica Chastain , James McAvoy, William Hurt, Viola Davis, Isabelle Huppert u.v.m., Prokino Filmverleih.

 

 

Veröffentlicht am: 28.11.2014

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