Das Lenbachhaus stellt Pläne für 2015 vor

Künstlerfreunde, Spuren - und Forschung zur Herkunft des eigenen Bestandes

von Karl Stankiewitz

Frisch sanierte (und neu angebaute) Pracht. Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus

Die Kunstmuseen sind längst über ihre ursprüngliche Bestimmung hinausgewachsen. Sie agieren nicht mehr nur als Schatzkammern, Schaubühnen, Bildungsstätten. Vielmehr stellen sich die meisten Direktoren und Kuratoren - die Frauenquote ist erheblich - zusätzlichen Aufgaben, die nicht zuletzt an Veränderungen der Gesellschaft orientiert sind. Der neue Maßnahmen-Katalog reicht etwa von der Anlageberatung für Kunstobjekte bis zum Workshop für kreative Kinder und Erwachsene. Ein Musterbeispiel für diese Entwicklung bietet gegenwärtig das Lenbachhaus, die städtische Galerie Münchens, welcher seit dem spektakulären Anbau von Norman Foster auch weitere Räumlichkeiten zur Verfügung stehen.

Als einen der Schwerpunkte nannte Münchens Kulturreferent Hans-Georg Küppers bei der Vorstellung des Jahresprogramms 2015 die Forschung. Derzeit arbeitet eine Spezialistin im Lenbachhaus an der Publikation der Ergebnisse einer Provenienzforschung, zu der noch weitere Institutionen beigetragen haben. Erstellt werden zunächst Kurzbiographien von rund 70 überwiegend jüdischen Kunsthändlern und Sammlern in München, deren Besitz im Dezember 1938 von nationalsozialistischen Räumkommandos beschlagnahmt wurde. Darunter Persönlichkeiten, deren Namen in der Kunstwelt einen Klang haben, wie Bernheimer, Thannhauser, Helbig und Pringsheim.

Nach und nach wird auch der eigene Bestand nach der jeweiligen Herkunft überprüft. Eine Aufgabe, die gerade für dieses Haus verpflichtend sein sollte. Hatte doch der Großangriff auf die „Entartete Kunst“ genau hier seinen Ausgang genommen. 1934 war der Kunstkritiker des „Völkischen Beobachters“, Franz Hofmann, mit der Führung der Städtischen Galerie beauftragt worden. „Um der Entfremdung zwischen Künstler und Volk entgegenzutreten“, ließ der Blutordensträger sein Museum von allen bedeutenden modernen Malern „säubern“. Sein Eifer trug ihm so viel Lob ein, dass ihn Goebbels ins Propagandaministerium berief. Zusammen mit dem Nackedei-Maler Adolf Ziegler und anderen Willfährigen ließ der Hotelierssohn Hofmann dann etwa 5000 Gemälde und 12.000 Grafiken aus den deutschen Museen entfernen. Sogar aus den Amtsräumen der Stadt München plünderte er 170 Bilder.

Aus einem Teil des Raubguts entstand 1937 die Wanderausstellung „Entartete Kunst“. Schließlich wurde Hofmann noch Geschäftsführer einer „Verwertungskommission“, die wertvollste Werke der Moderne ins Ausland verhökerte oder braunen Bonzen zuschanzte. Die Barbarei des Hofmann gipfelte in dem Vorschlag, „den Rest in einer symbolischen Handlung auf dem Scheiterhaufen zu verbrennen“, wobei er selbst eine „gepfefferte Leichenrede“ halten wollte. Schon im Frühjahr 1947 leistete die schwer angeschlagene Städtische Galerie eine gewisse Wiedergutmachung, indem sie einige der geretteten Bilder im unversehrten Nordflügel ausstellte.

Klee und Kandinsky. Foto: Nina Kandinsky

Ein soeben angelaufenes Projekt ordnete Küppers ebenfalls dem Bereich Forschung zu. Es läuft unter dem Motto „Künstlerfreundschaften“. Franz Marc und August Macke sind zuerst an der Reihe. Eine – aus Bonn übernommene - Sonderausstellung (28. Januar bis 3. Mai 2015) soll die Gemeinsamkeiten beider Künstler aufzeigen: die kühne Farbigkeit, wie sie im Blauen Reiter kulminiert und sogar ein gemeinschaftliches Gemälde („Paradies“) hervorbrachte, die enge Verbindung auch zwischen den Ehefrauen, beider Soldatentod im Ersten Weltkrieg. Im Herbst folgt das Gespann Klee-Kandinsky. Beide gelten als Vorreiter der abstrakten Kunst, beide waren Nachbarn in Schwabing, beide wohnten wiederum nebeneinander, als sie in Dessau am Bauhaus arbeiteten, beide verließen Deutschland im Jahr 1933. Aber alle Vier - Marc und Macke, Klee und Kandinsky - waren auch untereinander Konkurrenten.

Für den jungen Galerie-Direktor Matthias Mühling hat dieses Vorhaben noch einen anderen Aspekt. „Freundschaft ist der Kern der Solidarität, und Solidarität ist der Kern unserer heutigen Gesellschaft,“ sagte er bei der Präsentation vor der Presse. Im Mai startet außerdem ein Projekt namens „Facts & Fiction“. Ausgestellt und kommentiert werden Katastrophenbilder, Zukunftsvisionen, Endzeitstimmungen in der Reflexion von Künstlern, bis hin zu Roland Emmerich, der seit 2005 jedes Jahr einen einschlägigen Filmthriller abliefert.

Weitere Pläne für 2015 gelten der „Gruppe Spur“, an deren Münchner Wirken nicht nur Bildwerke, sondern auch ihre Manifeste, Pamphlete und andere Dokumente erinnern sollen. Eine Entdeckung ist die 1929 in Polen geborene, politisch und sozialkritisch aktive Künstlerin Lea Lublin, die in ihrer Wahlheimat Argentinien verurteilt wurde und in Paris, wo sie 1999 starb, mit ihrem „Striptease des Jesuskindes“ einen Skandal verursachte. Gleichsam zum Ausgleich der bevorstehenden Provokation zeigte Mühling ein Kruzifix aus dem Besitz von Lenbach, ein bedeutendes Schnitzwerk des späten 16. Jahrhunderts, das in einer neu eingerichteten Abteilung des Hauses, in Kooperation mit der Technischen Hochschule Deggendorf meisterhaft restauriert wurde. Auch scheute sich der Galeriedirektor nicht, einige der Reproduktionen, Poster, Drucke und anderen Editionen vorzuführen, die der Online-Shop für Preise von 10 Euro (Warhols Lenin) bis 980 Euro (Wurms C-Print) als ansehnliche, lukrative Anlagen empfiehlt.

Von Karl Stankiewitz ist erschienen im Volk Verlag “Die befreite Muse. Münchner Kunstszenen seit 1945”.

Lenbachhaus-Direktor Matthias Mühling hält in der Reihe "Natur als Kunst" den Vortrag "Spazierengehen", am Dienstag, 2. Dezember 2014, um 18 Uhr im Lenbachhaus/Georg-Knorr-Saal (Luisenstr. 33, 80333 München). Die Vortragsreihe beschäftigt sich mit der Frühen Landschaftsmalerei des 19. Jahrhunderts in Deutschland und Frankreich aus der Christoph Heilmann Stiftung. Der Eintritt ist frei.

Anm. d. Red. (7.12.14, 16.30 Uhr): Im letzten Absatz wurden die Angaben zum Kruzifix ergänzt.

Veröffentlicht am: 28.11.2014

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