"Yes!Yes!Yes! Warholmania in Munich" im Museum Brandhorst
Keine Zeit, nur Produktion
Andy Warhol (1928-1987): Selbstporträt, 1986, Acryl und Siebdruckfarbe auf Leinwand, 203,2 x 193,5 cm. 2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts
September 2010 war in Pittsburgh, Pennsylvania, die Ausstellung „Twisted Pair“ zu sehen. Marcel Duchamp und Andy Warhol erschienen hier als das Künstlerpaar des 20. Jahrhunderts, das unsterblich geworden war, durch ihrer beider Negation der heilig bourgeoisen Verbindung von Künstler und Werk, eigener Stimme und Vision. Im Versuch Identitäten – auch die eigene - durch Vervielfältigung zum Verschwinden zu bringen, war allerdings niemand fruchtbarer. Der lange Schatten Warhols in die Zukunft, schrieb Michiko Kakutani im November 1996 in Culture Zone, war der eines „silver wigged ghost hovering over the culturescape like a faintly bemused angel“. Ein langer Schatten, der über Damien Hirst, David la Chapelle, Jean Michel Basquiat bis zu Lady Gaga fällt. Nun hat München seine Warholmania. Das Museum Brandhorst setzt seine gesamten Bestände ein, gleichzeitig zeigten Ex-Factory-Collaborate Glenn O´Brien und Katja Eichinger in Zusammenarbeit mit dem Filmfest München selten Gesehenes aus Warhols filmischem Schaffen wie zum Beispiel die Screentests.
Heinz Burghard, der schon in der früheren Münchner Whitebox ausgestellt hat, erzählte Geschichten, während wir in der Ausstellung waren. Der NY-Fan war 1995 bereits das sechste Mal dort gewesen und hatte auf der Gründungsparty der Warhol-Family im Gershwin Hotel Ultra Violet und Billy Name, das „Faktotum“, kennen gelernt. Und Allen Midgette, der mit silberner Perücke als Andy Warhol erfolgreich mehrere Vorträge an Universitäten gehalten hatte und das, obwohl er seinem Namen Ehre machend, deutlich kleiner als das Original war. Ein Jahr zuvor hatte Burghard einen Raum im Künstlerhotel „Carlton Arms“ gestaltet, die „Cow-Spot Suite“.
Andy Warhol (1928-1978) Cindy Johnson, 1984, Acryl und Siebdruckfarbe auf Leinwand, 101,6 x 101,6 cm. Copyright: 2015 The Andy Warhol Foundation for the Visual Arts, Inc. / Artists Rights Society (ARS), New York
Wir gehen also vorbei an den Exponaten der Ausstellung „Dark Pop“ mit Arbeiten von Sigmar Polke, Damien Hirst, Robert Gober, Bruce Naumann, Louise Lawler und ebenfalls Andy Warhol. Schon von weitem leuchten die berühmten Marylins. Unterschied Warhol in irgendeiner Weise zwischen Marylin, Popeye, Mao oder Mickey Mouse? Zwischen Lenin und den Mugshots (Fahndungsbildern) meistgesuchter Verbrecher? Kaum. Die Vervielfältigung, die Serie deckt nur auf, was vorher schon feststand. Wer berühmt ist, vielleicht nur für 15 Minuten, hat sich schon ins Bild gefügt, ins Bild verwandelt, Identität hinterlegt. Hinterlegt, bei wem? Die Ten Marylins entstehen erst nach Marylin Monroes Selbstmord, dem Verschwinden des menschlichen Motivs. Death and Celebrity erscheinen Warhol als magisches Gespann im Galopp auf dem Fließband. Kehrt dann Identität durch den Tod zurück? Die verschiedenen Farbebenen scheinen Erhebungen, Abdrücke, Spuren eines Wesens und einer Verwesung zu suchen. In Mundwinkeln und Augenlidern laufen die Farben verschieden ein, ihre unterschiedliche Stärke drückt auf die Gesichtsarchitektur, scheint gelegentlich eine tödliche Häme zu enthüllen. Ein Glamour, der gerade noch strahlt, aber zerlaufen würde, wäre das Bild nicht angehalten. Eben ein Bild. Aber die Serie lässt uns innerlich den Verfall fortsetzen.
Mit „Shadows“ dagegen begegnen wir einem ungegenständlichen Maler mit großer Geste, einem anderen Warhol, der Siebdruck-Zelle entronnen, der sich offensichtlich einmal richtig ernstnehmen mochte. „Oxydation“, ebenfalls aus 1978, scheint als „Piss-Painting“, das Drip-Painting eines Jackson Pollock zu ironisieren. Acht TV-Stationen zeigen Produktionen der Andy Warhol Television, auch der Meister erscheint dort als Teilnehmer in einer Déja-vu-Atmosphäre. Als hätten die Bilder des real Überflüssigen nie eine Gegenwart besessen und wären doch dokumentiert. Mehr Nähe zum Realen hat schon fast der Entwurf für das Plattencover der Rolling Stones LP „Love you Live“, oder die frühen Illustrationen des Werbegrafikers. Symbole sind bestenfalls dekorativ, wie "Hammer and Sickle". Und aus welcher dunklen Morgenröte der Vergangenheit dieser Lenin herausschaut? Hintergründig wie ein Magier. Pop hat irgendwie keine Zeit, negiert Kontinuum, lässt Geschichte nicht zu. Weil es keinen Fortschritt gibt, sondern eben nur Produktion.
Am Schluss stehen wir vor dem letzten Self-Portait mit explodierter Silver Wigg, 1986, aufgenommen ein Jahr vor seinem Tod. 18 Jahre davor war Billy Name der erste gewesen, der hinzukam, als Andy Warhol von der Radikalfeministin Valery Solanas niedergeschossen worden war. Er legte Andys Kopf in seinen Schoß und weinte. Andy sagte zu ihm, er solle aufhören zu weinen, denn dann müsse er lachen und das tut weh (Aus Victor Bockris, „The Life and Death of Andy Warhol“).
"Yes!Yes!Yes! Warholmania in Munich" - Museum Brandhorst, noch bis zum 18. 10. 2015. Im Web unter www.pinakothek.de/museum-brandhorst