"Ring My Bell" von Zilla Leutenegger in der Pinakothek der Moderne
Einnehmend aufgeräumt
„Unglaublich. Nun habe ich eine Sieben-Zimmer-Wohnung mitten in München“, amüsiert sich Zilla Leutenegger am Ende des Rundgangs mit leiser Ironie. Sie kommt aus Zürich, wo die Preise nochmal eine gute Spur überspannter sind, doch ab einer gewissen Größenordnung ist das dann auch egal. Überhaupt hat man spätestens im Wohnzimmer mit der Dattelpalme den eigentlichen Ort vergessen: dass man durch ein Museum geht – und Schritt für Schritt das Tempo drosselt. Unwillkürlich.
Wie das passiert? Zilla Leutenegger arbeitet subversiv und mit den allereinfachsten Mitteln. Da wären einmal ihre schlichten, ganz lässig auf den Punkt gebrachten Wandzeichnungen, die zugleich etwas verzaubernd Zufälliges haben. Eine Figur, die an einem Tisch arbeitet oder unter einer Treppe kauert, Möbel, Küchengeräte. Dazu kombiniert Leutenegger Projektionen, die aus dem Nichts zu kommen scheinen und etwa eine Lampe aufleuchten lassen oder den Schatten einer sich entkleidenden Figur ins Badezimmer platzieren. Und schließlich sind da noch die realen, die greifbaren Gegenstände. Ein Stück Treppe, das in eine Zeichnung übergeht, ein Lounge Chair von Charles und Ray Eames in der Bibliothek oder eben die von einem Ventilator in Bewegung gebrachte Palme.
Einnehmend aufgeräumt sind diese Installationen (aus der Sammlung Goetz) oder besser: die ganze „Wohnung“, in der das Changieren zwischen Zwei- und Dreidimensionalität, das Verschwinden der medialen Grenzen immer wieder für verblüffende, oft genug amüsante Momente sorgt. Und in diesem dezent virtuosen Minimalismus entsteht Raum. Raum für Gedankenspiele und eine Form genüsslich melancholischer Langeweile, wie man sie vielleicht als Kind (zuletzt) erlebt hat. Stundenlang könnte man den Blick auf diese Palme heften, die Bücherwand mit dem Sessel, in dem sich – Projektion – jemand ausruht, oder ins spaltweit geöffnete Bad spitzen.
Man stört nicht, es ist die als androgynes Wesen gezeichnete Künstlerin selbst, die hier unter dem Titel „Ring My Bell“ einlädt zum Verweilen, und die so sehr in sich gekehrt ist, dass man sich nie wie ein Eindringling fühlen muss. Vielmehr wird der Besucher auf sich selbst zurück geworfen, auf die eigene Befindlichkeit, das Sein, wenn man so große Worte wählen will.
Dass sich Zilla Leutenegger, die erst im Alter von 27 Jahren eine vor allem theoretisch-philosophisch ausgerichtete Ausbildung an der Kunstschule Zürich begonnen hat, mit den existentiellen Fragen auseinandersetzt, ist kaum verwunderlich. Sie tut das allerdings auf sympathisch unprätentiöse Weise. Da ist das Werk auch eine Fortführung dieser zurückhaltenden Künstlerpersönlichkeit. Selten wird man jedenfalls so diskret und zugleich raffiniert dazu animiert, ein bisschen nachzudenken.
Pinakothek der Moderne: „Ring My Bell“, bis 4. Oktober 2015, Di bis So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr. Zur Ausstellung ist ein Künstlerbuch in limitierter Auflage zum Preis von 24,90 Euro erschienen.