„Auf goldenem Grund“ - exklusive Trecento-Tafelbilder aus Thüringen in der Alten Pinakothek
Einmaliger Blick auf den Beginn der Neuzeit
Bernardo Daddi. "Kreuzigung Christi", 1345-1348. Tempera auf Pappelholz, 58,5 x 27,6 cm. Lindenau Museum Altenburg
Viel hat die Alpen nicht überquert. Aber ein bissl Giotto ist auch in den späteren Bayerischen Staatsgemäldesammlungen gelandet. Da besaß Ludwig I. durchaus Gespür für Qualität, als er zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach früher italienischer Malerei Ausschau hielt und 1805 – da war er noch Kronprinz – das „Letzte Abendmahl“ (1311/12) für München erwerben konnte. Die quadratische Tafel mit rund 43 Zentimetern Seitenlänge ist ein wunderbares Beispiel, wie sich der Meister der Franziskus-Fresken in Assisi oder des ausgetüftelten Programms der Paduaner Arenakapelle geradezu kühn den Raum erobert. Und die Körper der Apostel bekommen Gewicht, der Wirklichkeit oder besser der Schwerkraft entsprechend lasten ihre Hintern auf einer Holzbank. Pfund für Pfund.
In den Seitenkabinetten der Alten Pinakothek gehen diese Kostbarkeiten, zu denen auch Werke von Giottos Schüler Taddeo Gaddi und – ebenso aus der nächsten Generation – Bernardo Daddi gehören, fast unter. Doch das könnte sich jetzt ändern. Denn aus dem Lindenau-Museum sind drei hochkarätige Leihgaben „Auf goldenem Grund“ zu Besuch: eine „Kreuzigung Christi“ (1345/48) von Daddi sowie jeweils eine Marienkrönung von Puccio di Simone (1340/45) und dem Meister von San Lucchese (1365/70).
Das Haus im thüringischen Altenburg beherbergt eine der umfangreichsten Spezialsammlungen früher italienischer Malerei. Das geht auf einen außergewöhnlichen Kunstfreund und Mäzen zurück, der wie Ludwig kaum zu bremsen war. Bernhard August von Lindenau (1779-1854), ein vielseitig gebildeter Jurist in Staatsdiensten, der es bis zum Kabinettsminister des Königreichs Sachsen gebracht hatte, trug größere Mengen antiker Keramik, Werke der italienischen Renaissance und eben Tafelbilder des Trecento zusammen und ließ dafür bald eine prächtige Galerie für die Öffentlichkeit bauen.
Maestro di San Lucchese. "Krönung Mariens mit Engeln und Heiligen". 1365-1370. Tempera auf Pappelholz, 75,5 x 34 cm. Lindenau Museum Altenburg
Wer sich jetzt wundert, tut’s zu Recht: Solche auf Holz gemalten Andachtsbilder des 14. Jahrhunderts dürfen nicht mehr reisen. Normalerweise. Aber Ausnahmen bestätigen die strenge Regel, und in Altenburg wird generalsaniert. Pinakotheksbesucher haben damit bis Mitte 2016 die Gelegenheit, auf wenigen exklusiven Exponaten den Beginn der neuzeitlichen Malerei zu studieren. Also die langsame Lösung von den einigermaßen starren byzantinischen Grundlagen hin zur eingangs erwähnten neuen Definition des Raums.
Das, was Giotto so fulminant gelungen ist, spinnen die Nachfolger von Daddi bis Nardo di Cione feinsinnig weiter. Es geht hier nicht um den Paukenschlag, man hat sein Handwerk in langen Jahren gelernt, auch die Verankerung in der Tradition ist ungemein wichtig, um anerkannt zu werden. Und so vollzieht sich die Innovation in köstlichen kleinen Erzählungen, in auffallenden, manchmal gewagten Farben, die durch den Goldgrund in ihrer Leuchtkraft noch gesteigert werden, oder etwas staksig tanzenden Engeln – etwa bei di Simone –, die fast schon Ferdinand Hodlers Ausflüge in die Eurythmie vorwegnehmen.
Und es kann genauso einen Schritt zurückgehen, wenn’s denn passt. Beim Andachtsbild, sei es für den kirchlichen oder den privaten Bereich, spielte sich die heute so sehr strapazierte künstlerische Freiheit in ziemlich engen Grenzen ab. Die fein gedrechselten Rahmungen mit ihren gotischen Giebeln, Nasen und Dreipassbogen demonstrieren das in zweifacher Hinsicht. Doch die Handwerker-Künstler nutzten ihren Raum, begriffen die Beschränkung womöglich als Anreiz und schufen Erstaunliches. Wer das minutiös verfolgt – und die Alarmanlage lässt leider nicht die nötige Annäherung zu – könnte zwischendurch das Luftholen vergessen.
Alte Pinakothek, OG, Kabinett 1 und 2, bis 30.6.2016; Di 10 bis 20, Mi bis So bis 18 Uhr.