Der Kranich lässt die Flügel hängen
"Die Formen meines Herzens". In Zusammenarbeit mit der Japanischen Internationalen Schule in München zeigt die Little Art Gallery taktile Zeichnungen und Origami japanischer Kinder.
Es war anders geplant, als die Galeristin Elena Janker zur Ausstellungseröffnung einlud. Die Realität hat das Motto zur Ausstellung "Die Formen meines Herzens" auf brutale Weise überholt. Ein kleiner Friedensgarten hätte die Galerie in der Maxvorstadt für eine Weile werden sollen. Eine Denkstätte an die Opfer von Erdbeben, Tsunami und zerberstender Atomkraft ist sie geworden.
Zwölf bis fünfzehnjährige Schüler der Japanischen Internationalen Schule in München haben für diese Ausstellung auf Zeichenfolie für Blinde gezeichnet, angeregt, angeleitet durch die blinde japanische Künstlerin Eriko Watanabe. Andere Eindrücke als die, die durch das Sehen entstehen, Gerüche, Geräusche, der Wind in den Haaren, auf der Haut, das sei es, was sie in Bilder umzusetzen versuche, erzählte die junge Künstlerin bei der Ausstellungseröffnung am vergangenen Dienstag.
Durch das Zeichnen mit dem Nagel auf dem Spezialpapier entstehen ertastbare, mit den Fingerspitzen erfahrbare Motive. Die Schüler haben nach innen gesehen, dort, wo die Formen des Herzens verborgen sind. "Wenn ich nicht von anderen abhängig sein will, dann schwebt meine Seele wie ein kleiner Punkt in der Zeit, die langsam vorbeifließt", sagt eine 15-jährige Schülerin. Kleine Gedichte in japanischer Schrift sind dazu angebracht, deren Übersetzung der Besucher nachlesen kann.
Zusätzlich sind in der Ausstellung 128 weiße Papierkraniche gehängt. Jeder Schüler der Japanischen Internationalen Schule hat einen davon gefaltet. Weitere sollen im Verlauf der Ausstellung dazu kommen.
Origami, die Kunst des Papierfaltens, hat in Japan eine ganz besondere Tradition, der Kranich seine ganz eigene Bedeutung als Friedensstifter und Heilsbringer. Der Legende nach erfüllen die Götter demjenigen, der 1000 Kraniche faltet, einen Wunsch (Quelle: Wikipedia). Seit dem Tod des Atombombenopfers Sadako Sashi gelten die Origami-Kraniche als Symbol der internationalen Friedensbewegung und des Widerstands gegen den Einsatz von Atomwaffen. Nun auch gegen die Nutzung von Atomenergie, die sich erneut als unbeherrschbar erweist?
Das, was gezeigt wird, ist entstanden, bevor sich die Welt derart abrupt verändert hat. Ein Signal des Mitgefühls und der Solidarität mit Japan sei die Ausstellung nun, meint die Kunsterzieherin Takabo Kato. Nur: wie faltet man gegen eine Katastrophe dieses Ausmaßes an? Diese Frage kann die kleine Ausstellung nicht beantworten. In diesen Tagen, in denen das Atomkraftwerk Fukushima mit seinen Meilern vollends ausser Kontrolle zu geraten scheint, mutet die Intention der Ausstellung rührend und hilflos an. Aber was bleibt auch anderes. Bei der Ausstellungseröffnung wurde von einer E-Mail aus Japan berichtet, die von der Hoffnung sprach, dass sich alles schnell zum Guten wenden werde. Nach allem, was zu hören und zu sehen ist, wird das lange nach unserer Zeit sein.
In einen Friedensgarten gerät der Besucher nicht mehr. Aber er findet einen Ort, nachzudenken, zu gedenken. Ein kleines Zeichen der Verbundenheit ist die Ausstellung allemal. Die Origami-Kraniche allerdings, sie lassen zu Flügel hängen, weil sie bei aller Hoffnung, die sie vermitteln sollen, nicht mehr helfen können.
Die Ausstellung ist noch bis zum 8. April in der Little Art Gallery in der Amalienstr. 41 Rgb. in München von Mo. bis Fr. von 10 bis 17 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.