Schmetterlinge und ein exhibitionistischer Tschador
In der Ausstellung "he kills me, he kills me not" mit Werken der iranischen Künstlerin Parastou Forouhar zeigt die Galerie Karin Sachs in München, wie eng Schönheit und Ausgewogenheit, Grauen, Gewalt und Folter beieiander liegen und wie der Tradition mit Ironie begegnet werden kann.
Vier großformatige Ornamente, digitale Zeichnungen auf Fotopapier, stellen Schmetterlinge dar, die aus einer siebenteiligen Reihe stammen. Erst das genaue Hinsehen offenbart, dass sich die Insekten aus hilfeschreienden, ineinander, aufeinander verknäulten menschlichen Figuren zusammensetzen. Der zweite Blick muss verstören. "Es (das Ornament, Anm. d. Red.) schmückt und es ist schön. Es gibt also diese Ambivalenz, die man aushalten muss, in dem Moment, wo die Schönheit bricht und sich in Grausamkeit verwandelt, gerade weil die Schönheit dabei nicht verloren geht. Dieser Moment ist für mich bei der Wahrnehmung eines Kunstwerks sehr wichtig", erläutert die Künstlerin in einem Interview mit Brigitte Werneburg (Quelle: DB ART MAG 56-Feature).
Parastou Forouhar, 1962 in Teheran geboren, lebt und arbeitet seit 1991 in Deutschland. Sie studierte von 1984 bis 1990 Kunst an der Universität in Teheran. Im November 1998 wurden ihre Eltern in ihrem Haus in Teheran ermordet, die Täter werden in iranischen Geheimdienstkreisen vermutet. Ihr Vater gehörte als Arbeitsminister dem weltlichen Kabinett von Premierminister Mehdi Bezargar an und galt als einer der führenden Oppositionspolitiker. Nach einer Reise zu einer Gedenkveranstaltung für ihre Eltern im Dezember 2009 wurde ihr Pass von den iranischen Behörden einkassiert und die Rückreise nach Deutschland verweigert. Erst Ende 2009 durfte sie ausreisen. Vor diesem Hintergrund sind auch ihre Arbeiten zu sehen.
Die Schmetterlinge, in der Antike ein Sinnbild für die Hoffnung, dass nach dem Vergehen Neues entsteht, stellen hier die Brüche dar. Körper taumeln, winden sich. Die Assoziationen verstärken sich durch die unterschiedlichen Farbgebungen von grün über rosa bis hin zu flammendem Rot als Sinnbild von Gewalt und Unterdrückung. Dafür stehe auch zwei wie zum unmenschlichen Duell gegeneinander gerichtete Revolver. Die digitalen Zeichnungen setzen sich aus weiteren Waffen zusammen, aus menschlichen Gliedmaßen, Händen, Beinen, einem Kopf. Bei der Anwendung der traditionellen Kunstform des Ornaments zeigt dies das Sterben in Schönheit und Ordnung.
"Flashing" ist eine 2009 entstandene Fotoarbeit. Sie zeigt mutmaßlich eine Frau, in einem Tschador, den er, sie in exhibitionistischer Weise vor zwei Postern, die einen gut aussehenden jungen Mann zeigen, öffnet. Der Betrachter ertappt sich selbst in seiner Fantasie. Das Werk entstand im Rahmen eines Stipendiums in der Villa Massimo in Rom. Der Umgang, das Spiel mit dem traditionellen Kleidungsstück ironisiert die Tradition, das aus ihrer Sicht überkommene Frauenbild. "Die Künstlerin beweist bei der Performance, dass sie buchstäblich keine Berührungsängste im Umgang mit den Kulturgütern hat", schreibt die Kunsthistorikerin Alexandra Karentzos in einem Aufsatz zu den "Ironisierungen des Okzidentalismus in der Kunst Parastou Forouhars".
In der Ausstellung ist eine Video-Installation zu dieser Performance zu sehen, die verblüffende Einsichten zu dem zeigen, was man anstellen kann mit einem Tschador. Schwimmen gehen, Skateboard fahren. Für die Stipendiaten war es eine riesige Gaudi. Dies und den ernsten Hintergrund spürt man.
Eine kleine, feine, sehenswerte Ausstellung.
Die Ausstellung Parastou Forouhar "he kills me, he kills me not" ist noch bis zum 17. Mai in der Galerie Karin Sachs, Augustenstr. 48 in München, Di. bis Fr. 13-bis 18 Uhr, Sa. 12-16 Uhr oder nach Vereinbarung zu sehen. Der Eintritt ist frei. Kontakt: 089-2011250