Nackert im Wohnklo
Die Micheko Galerie in München zeigt in der Ausstellung "Home from Home" 17 Bilder der Fotografin Satomi Shirai.
Die Situation kennt jeder: es juckt wie wahnsinnig am Rücken, man will sich kratzen, verrenkt die Arme links und rechts nach hinten und kommt nicht ran an die quälende Stelle. Der jungen Frau, die auf dem Foto von Satomi Shirai zu sehen ist, geht es nicht anders. Ein sich kratzender Rückenakt. Diese Verrenkungen, die verdrehten Körper interessieren die 36-jährige Fotografin, die in Tokyo geboren wurde und heute in New York lebt und arbeitet.
"Home from Home". Schwerpunkt der Ausstellung, mit der die Micheko Galerie ein weiteres Beispiel junger japanischer Fotografie präsentiert, sind Bilder über die beengten Wohnverhältnisse junger Menschen fort von daheim, draußen in der Fremde. Mini-Appartements, Wohnlöcher mit Nasszellen. Wie lebt man da, wie richtet man sich ein, wie beherrscht man das durch die Enge unvermeidliche Chaos?
Ein Paar beim Frühstück in der Küche, sie räkelt sich nackt auf einem Gymnastikball, er teilnahmslos am Tisch sitzend, nimmt Cerialien zu sich. Küchenputz, nur mit T-Shirt und Slip bekleidet balanciert das Mädchen ballerienenhaft auf dem Rand der Spüle. Traditionell japanisch gehts auch, das Zubehör baumelt mangels Platzes am Boden von der Decke herab. Den Hanami veranstaltet man am Boden, wie im Bild "fortune telling". Um sich einzurichten wird das Mädchen auch einmal zur Heimwerkerin. Über die Vielzahl von Schuhen kommt sie sowieso nur robbend hinweg. Und irgendwann kracht die Decke über dem Kopf zusammen. "Crash"!
Die zwischen 2006 und 2010 entstandenen Fotografien zeigen oft junge japanische Frauen. Ihre Gesichter sind nicht zu erkennen. Symbol für den Verlust der Persönlichkeit in der Anonymität der Fremde. Die Fotografin sagte bei der Ausstellungseröffnung in einem über Skype hergestellten Interview selbst, dass ihre Fotografie wohl anders aussähe, würde sie noch daheim in Tokyo leben, auch wenn sie sich nicht entwurzelt fühlen würde in New York.
Im ersten Moment scheint das Foto "sunset", ein Sonnenuntergang an Strand, die Personen auch hier anonymisiert, nicht zu passen. Aber es weist gerade den Weg hinaus aus der engen Behausung in die Freiheit.
Es ist eine farbenfrohe Ausstellung. Die Fotos bedrücken nicht, wie das Thema vermuten ließe, sie sind humorvoll, ironisch, teils von subtiler Erotik. Man kann sich arrangieren mit dem Leben in der Fremde. Offen bleibt, ob man sich auch integriert.
Die Ausstellung Satomi Shirai, Home frome Home, ist bis zum 25. Juni in der Micheko Galerie, Theresienstraße 18 in München, Di.-Fr. 14-19 Uhr, Sa. 11-16 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.