Wenn vorgeführt werden Spaß macht
Zum ersten Buchprojekt "Suburban Dreams" von Beth Yarnelle Edwards zeigt die Galerie f 5,6 in München eine gleichnamige Fotoausstellung.
"Morgen bring ich sie um". Der Blick, den Art auf seine Gattin Carol wirft, wirkt, als sei ihm eben diese Sequenz aus Loriots "Szenen einer Ehe" in den Sinn gekommen. Die beiden sitzen, noch im Bademantel, beim Frühstück in ihrer Wohnküche. Zu sagen haben sie sich nicht mehr viel. Die Fotografie bildet das alternde Ehepaar frontal ab und erzeugt dadurch eine ungewöhnliche Tiefe des in kaltem Weiß gehaltenen Raums, die auch die Distanz des Paars zueinander unterstreicht. Fast fröstelt es den Betrachter.
1997 begann die amerikanische Fotografin Beth Yarnelle Edwards, das Leben des Mittelstandes nachzuzeichnen, in ihrer Nachbarschaft zunächst, dann auch in den Vorstädten des Silicon Valley und später auch in Europa. Fast voyeristisch zeigen die Aufnahmen das Heim, das Leben unserer Nachbarn. Sie scheinen die jedem von uns eigene Neugier zu befriedigen, was sich abspielt hinter der Tür neben uns.
"Ich will nicht kritisieren, sondern beoabachten", meint die Fotografin. Nach diesem Motto inszeniert sie ihre Aufnahmen. Es sind keine Abbildungen des realen Augenblicks, sondern die dargestellten Alltagsszenen sind gestellt, durchkomponiert von der Position, die von den dargestellten Personen eingenommen werden, über die Farbgebung der Bekleidung bis hin zum Hintergrund vor dem sie sich aufhalten.
Ein Ferienhaus mit Pool, karges, unwirtliches Gebirge im Hintergrund, der so nah ist. Vom Balkon hüpft Beatriz in der 2005 entstandenen Aufnahme vor den Augen der Familie, der Freunde, ins Wasser. Ein im Bild eingefrorenes Ferienidyll. Susan, vor dem Regal, in dem Nippes sorgsam aufgereiht ist, poliert den Glastisch. Marvin, ein kleiner Junge auf einem Schaukelpferd, ist vor den väterlichen Regal aufgebaut, in dem Reiterpokale positioniert sind. Der Stolz der Familie. Das Bild eines Mannes mittendrin, des Vaters womöglich. Es bleibt unklar, ob es Fotografie oder Spiegelbild ist. Frido, ein Junge auf dem Tretroller rast den weißen Gang entlang, verschwimmt auf dem Weg zum Tor zur Ewigkeit, wie es scheint.
Parallelen werden deutlich zur klassischen Portraitfotografie von August Sander beispielsweise, aber auch zur Hofmalerei des 18. und 19. Jahrhunderts.
Zu sehen sind schonungslos offene, ironische Bilder. Die Szenen aus dem Alltag betreffen jeden von uns. Der Betrachter fühlt sich unwillkürlich ertappt. Wir werden vorgeführt, ohne verletzt zu werden. Macht Spass.
Die Ausstellung ist noch bis zum 21. Mai in der Galerie f 5,6, Ludwigstraße 7, in München bei freiem Eintritt zu sehen. Bei der Finissage am 21. Mai ist die Fotografin anwesend. Das Buch "Suburban Dreams" ist im Kehrer Verlag Heidelberg 2011 erschienen.