Von Affen, Geistern und Frauen mit großen Gefühlen: Bilder von Gabriel von Max im Lenbachhaus

von kulturvollzug

Heute sein bekanntestes Werk: „Affen als Kunstrichter/Kränzchen“ von 1889. Foto: Lenbachhaus

Er malte ekstatische Jungfrauen und seherische Somnambule, eine sexy Märtyrerin, eine gelangweilte Nonne und eine reuige Kindsmörderin; und er bannte die berühmte „Weiße Frau“ auf die Leinwand: Gabriel von Max (1840 bis 1915), Sohn eines Prager Bildhauers sowie Piloty-Schüler (und Nachfolger) an der Münchner Akademie, hatte keine Angst vor Gespenstern - und vor Frauen mit großen Gefühlen. Viele seiner affektheischenden Darstellungen zeigen sie in emotionalen Extremsituationen, und ihre Mimik und Gestik erinnern an die übertriebene Melodramatik einer Stummfilmdiva.

Das Publikum der Gründerzeit liebte seine Bilder, vor allem weibliche Betrachter brachen angesichts seiner Schmerzensdamen in Tränen aus. Der „Seelenmaler“ wurde damit zum Kunst-Star des 19. Jahrhunderts sowie zu einem der finanziell erfolgreichsten Künstler Münchens – posthum allerdings ebbte sein Ruhm erheblich ab. Jetzt widmet das Lenbachhaus, zu dessen Beständen einige seiner Werke gehören, Max eine Ausstellung im Kunstbau unter dem Titel „Malerstar, Darwinist, Spiritist“.

Denn packend an Gabriel von Max ist heute weniger seine gekonnte und stets ein wenig zu dick aufgetragene Malerei, sondern vielmehr sein zwischen rationalistischem Wissensdrang und der Faszination am Übersinnlichen schillerndes Weltbild. Und die Ausstellung im Kunstbau ist vor allem deshalb spannend, weil die Kuratorin Karin Althaus Max’ naturkundlichen und metaphysischen Interessen ebensoviel Platz wie der Malerei einräumt.

Max nahm Teil an spiritistischen Séancen mit berühmten Medien; er begegnete Hellseherinnen, die er auch porträtierte, etwa „Die Seherin von Prevorst im Hochschlaf“. Die Welt der Geister galt ihm eher als Fortsetzung, denn als Widerspruch des rational Fassbaren.

Intensive Primatenforschung: Gabriel von Max. Foto: Lenbachhaus

Die Möglichkeit, dass der Tod nur eine Schwelle, nicht unbedingt eine Grenze ist, spiegelte sich auch in seiner Kunst wider: Eines von Max’ Lieblingsmotiven ist die weibliche Leiche - so wie auf dem Gemälde „Der Anatom“ (1869): Zwischen dem abgebrühten alten Wissenschaftler und der schönen Toten wabert eine morbide Erotik durch den Äther. Tod und Begehren, Schmerz, Lust und Erlösung liegen auch in den christlich oder mythologisch motivierten Darstellungen wie bei der heiligen Julia am Kreuz (1873) oder der Isolde (1894) nah beieinander.

Aber man findet ebenso liebliche Madonnen oder Max’ zartrosa angehauchte Geliebte „Ernestine beim Pilzeschälen“ (1896). Und zwischen all den leichenblassen (Un-)Toten entdeckt man plötzlich ein unerwartet pausbäckiges Mädel, welches das „Frühlingsmärchen“ (1872) illustriert. Seine Kunst war Gabriel von Max bald zunehmend Mittel zum Zweck: Um Geld zu verdienen, mit dem er seine am Ende rund 60.000 Objekte umfassende anthropologische, zoologische und prähistorische Sammlung ausbauen konnte. Sie wurde 1935 nach Baden-Württemberg verkauft und ist jetzt in Teilen wieder in München zu sehen. In seiner prächtigen Villa an der Paul-Heyse-Straße bewahrte Max nicht nur rund 455 Schädel, sondern auch südamerikanische Mumien und den Kopf einer siamesischen Prinzessin auf. Obwohl letztere nicht in die Schau geholt wurde, ist es im unterirdischen Kunstbau zwischen Totenköpfen und Affenskeletten derzeit dennoch grusliger als bei jeder Halloween-Maskerade.

Man ist geneigt, von dieser so aufregenden wie bizarren Sammlung und von der zur Nekrophilie tendierenden Malerei auf Gabriel von Max als einen skurril-furchteinflößenden Sonderling zu schließen. Stattdessen zeigen die zahlreichen Fotografien ihn als absolut diesseitig, lebenslustig und sinnenfroh wirkenden Mann inmitten seiner Großfamilie mit Ehefrau und drei Kindern - und später mit seiner Geliebten. In der Sommerfrische am Starnberger See hielt er mit seinen Söhnen und der Tochter – mit den seltsam-exotischen Namen Colombo, Corneille und Ludmilla - sogar spiritistische Spaßsitzungen ab, bei denen eines der Kinder in weißen Tüchern als Gespenst auftrat. Zugleich entlarvte Max die aufkommende Geisterfotografie als Humbug, indem er selbst mit Doppelbelichtungen experimentierte.

Morbide Erotik durchzieht viele der Bilder von Gabriel von Max. Foto: Lenbachhaus

An Humor hat es Gabriel von Max bei aller Affinität zum Jenseitigen und Okkulten jedenfalls nicht gemangelt. Das offenbart auch sein heute bekanntestes Werk „Affen als Kunstrichter/Kränzchen“ von 1889: Ein Haufen Affen turnt vor einem Kunstwerk herum, das man nur erahnen kann, weil lediglich ein Stück des pompösen Goldrahmens sichtbar ist.

Doch Max wollte mit dieser Darstellung nicht nur falsch verstanden werden. Der Maler, der sich intensiv mit Primatenforschung beschäftigte, selbst 14 Affen hielt und dem das Kapuzineräffchen Paly zum Ende seines Lebens hin liebste Gefährtin wurde, sah im Tier das höhere, bessere Wesen - der Mensch war nur ein „Culturaffe“. Das zeigt auch der Vergleich der monströsen „Kindsmörderin“ von 1877 mit dem entzückenden Affenporträt „Mutter mit Kind“ von 1900: Während die verzweifelte Kindsmörderin ihrem getöteten Neugeborenen einen letzten Kuss gibt, ist die instinktiv fürsorgliche Affenmutter ihrem Jungen in inniger Liebe zugetan.

Roberta De Righi

Bis 30. Januar, Di - So 10 bis 18 Uhr, Katalog (Hirmer) 32 Euro; nächste Kuratorenführung am So, den 28. Oktober um 18 Uhr mit Karin Althaus; weitere Veranstaltungen unter www.lenbachhaus.de

Veröffentlicht am: 26.10.2010

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