Blutleere Blutsauger
Der Gesellschaftsverlierer Roma wird plötzlich Teil der Elite - er wird zu Rama dem Vampir.
Uraufführung vom "Das fünfte Imperium" im Münchner Volkstheater - eine Vampirgeschichte ohne Vampirgeschichten.
Man muss schon ein wenig Mitleid haben mit diesem Roma Romanowitsch. Erst verbringt er seine Jugend in einem sowjetischen Plattenbau und als ob das noch nicht genug Strafe ist, wird er auch noch zum Vampir.
Dabei hat er sich doch nur von dieser ominösen Anzeige verführen lassen: „Nutzen Sie die Chance zum Eintritt in die Elite.“
Zur Elite gehört man aber nur als Vampir, und so beginnt sein neues Leben - aus Roma wird Rama.
In einer Uraufführung inszeniert Mareike Mikat „Das fünfte Imperium“ im Münchner Volkstheater.
Das Stück basiert auf Viktor Pelewins gleichnamigem Roman. Schön ist an seiner Geschichte, dass er gar nicht daran denkt die gängigen Vampirvorlagen zu verwenden. Weder Horror noch die unerfüllte Liebe zu einer menschlichen Frau begegnen einem an diesem Abend. Eigentlich geht es gar nicht um Vampire. Es geht ums Ganze. Es geht um eine Abrechnung mit den prägenden Systemen des 20. Jahrhunderts - Kommunismus und Kapitalismus.
Es geht aber auch darum zu zeigen, wie schäbig die Menschen in solchen Systemen miteinander umgehen, gerade in der selbsternannten Elite.
Zwei Stunden gibt sich die Regisseurin Mareike Mikat Zeit, dem Publikum diese Themenfülle näher zu bringen. Ein mutiges Vorhaben, mit dem sie zwar nicht scheitert, aber wirklich gelingen will es ihr auch nicht.
Im Fokus auf der Bühne steht die Show. Die Handlung bleibt zweitrangig. Dafür aber sind die entstehenden Bilder ohne Zweifel stark. Zum Beispiel das Bühnenbild: ein Baugerüst, das mit Packpapier verkleidet ist. Mit jedem Schritt, den Rama (Justin Mühlenhardt) macht, fällt ein Teil der Verkleidung – die Welt der Vampire wird erkennbar. Am Ende steht da das nackte Metallskelett, und nichts kann mehr versteckt werden.
Das Bühnenbild kann aber auch als Analogie zur Inszenierung betrachtet werden. Wenn man dem, was da auf der Bühne passiert, die Verkleidung entreißt, kommt eben kein polierter Stahlblock zum Vorschein, sondern nur ein paar verbundene Metallstreben.
Sehenswert wird die Inszenierung vor allem in den Szenen, in denen die kritischen Töne gegen das Bild- und Symbolmonopol auf der Bühne geradezu anschreien.
Die tauchen vor allem dann auf, wenn der zynische Vampirlehrer Enlil (Andrej Kaminsky) auftritt.
Die Bilder, mit denen er die Menschen und deren unendliche Einfalt beschreibt sind so treffend, dass man schier an seinem eigenen Menschsein verzweifeln möchte.
Überhaupt ist es Andrej Kaminsky, der das Ensemble immer wieder auf Kurs bringt. Vor lauter Freude am Spiel laufen die anderen Schauspieler immer wieder Gefahr die trostlose Lage ihrer Charaktere zu vergessen.
Gerade dieser lockere Auftritt ist es, der beim Zuschauer die Frage aufwirft, ob er da auf der Bühne eine Gesellschaftskritik sieht oder den Versuch einer Parodie einer Kritik.
Wenn die Regisseurin dann versucht, den Weg mit unmissverständlichen Symbolen zu weisen, wünscht man sich schon fast wieder zurück in die Orientierungslosigkeit geworfen zu werden.
Sogar der einfältige Roma Romanowitsch würde verstehen, was der große, metallene Schriftzug KONSUM sagen will und auch der aufgebahrte Lenin zu seiner Rechten lässt nicht viel Spielraum für eigene Gedanken.
Die Regisseurin Mareike Mikat führt ihr Publikum bei diesem unterhaltsamen Abend an die Abgründe des menschlichen Lebens. Doch es wird nur ein kurzer Blick hinunter gestattet, der erlösende Stoß in die Tiefe bleibt aus.
Nächste Vorstellungen: 24.06.2010, 02.07.2010
Die Besetzung:
Anika Baumann als Hera
Jean-Luc Bubert als Loki
Pascal Fligg als Mitra
Andrej Kaminsky als Enlil
Justin Mühlenhardt als Roma/Rama
Regie: Mareike Mikat
Dramaturgie: Kilian Engels
Ausstattung: Marie Roth