Schwarz-Weiß-Fotos von Sachse mit Farben von Incorvaia. Ziehen handkolorierte Fotos heute noch?

von Achim Manthey

Giacomo Incorvaia/Ekkehart Sachse, Miles Davies I, courtesy Galerie Stephen Hoffman

Mit rückwärts gewandten Fotobearbeitungen überrascht die Ausstellung "Photographische Inszenierungen" in der Galerie Stephen Hoffman in München.

Vor dem Aufkommen des Farbfilms war es eine eigenständige Kunstform in der Fotografie: Schwarz-Weiß-Aufnahmen wurden mit der Hand nachkoloriert, die spärlich eingesetzte Farbe sollte Akzente setzen, den Betrachter auf Details aufmerksam machen. Das ging häufig schief, weil die Fotografien ihren ursprünglichen Charakter verloren, ins Schwülstige, Lächerliche, Belanglose abglitten. Auch den in der Ausstellung gezeigten Arbeiten gelingt es nicht immer, die Grenzüberschreitung zum Kitsch zu vermeiden.

Grundlage sind Bilder des Pressefotografen Ekkehart Sachse, die in den Jahren 1966 bis 1969 von prominenten Musikern, Komponisten und Schauspielern entstanden. Sachse war über 40 Jahre lang als Fotoreporter für verschiedene Zeitschriften und Magazine auf der ganzen Welt unterwegs. 1966/67 gewann er mit einem in Hamburg entstandenen Portrait des amerikanischen Schriftstellers und Bürgerrechtlers James A. Baldwin den ersten Preis beim World Press Award.  Aus seinem reichhaltigen Archiv stellte er dem in Deutschland lebenden italienischen Fotografen und Maler Gioacomo Incorvaia eine Auswahl von Motiven zur Verfügung.

Für die Kolorierungen verwendet Incorvaia spezielle, in Farblaboratorien entwickelte Fotofarben, die mit von ihm selbst angefertigten Pinseln aufgetragen werden. Da die Bearbeitung nicht am Computer, sondern unmittelbar an den Abzügen der Fotos erfolgt, entstehen Unikate. Durch die Bearbeitungen will Incorvaia die fotografischen Zeitdokumente den heutigen Sehgewohnheiten anpassen, sie künstlerisch aufpeppen und und für die Gegenwart erhalten.

Miles Davies als Trompetenengel. Durch die sehr vorsichtige Kolorierung, bei der nur der grell pinkfarbene Schal sofort ins Auge springt, erhält das Bild eine neue Dynamik, die sich allerdings bei weiteren Aufnahmen dieses Musikers durch wiederum übertriebene Farbgebungen verliert. Auch eine Studioaufnahme, die den Komponisten Igor Stravinski zeigt, beeindruckt. Sanft nachkoloriert ist auf dem Bild lediglich das Mikrofon im Aufnahmeraum. Der sehr ernsthafte Musikarbeiter bleibt prägend.

Giacomo Incorvaia/Ekkehart Sachse, Ray Charles II, courtesy Galerie Stephen Hoffman

Vieles ist hingegen überflüssig. Warum erhält auf einem Konzertfoto der Sänger Salvatore Adamo ein blaues Gesicht und knallrote Hände? Die Frage könnte wohl nur ein Internist beantworten. Inge Meysel beim Verzehr eines nachkolorierten Apfels. Das Bild hat man schon im Originalzustand nicht gebraucht, es gewinnt auch durch die Farbe nicht. Vollends ins folkloristische gleitet eine Fotografie von Sonny und Cher ab, die ihn im Blümchenhemd mit grüner Weste zeigt. Unmittelbar vor dem Auftritt im Wiesn-Zelt?

Einige wenige Bilder sind gelungen, wie die sehr vorsichtig bearbeiteten Aufnahmen von Ray Charles. Das Foto von Baden Powell erhält durch die Kolorierung des Hintergrunds Geschwindigkeit, die seine Musik transportiert. Auch die Konzertaufnahme von Esther und Abi Ofarim, auf der ihr Kleid und seine Gitarre farbig sind, ist ausdrucksstark, weil sie die wohl schon eingetretene Entfremdung des Sängerpaares unterstreicht.

Insgesamt gilt jedoch, dass auch die Kolorierungen aus den Fotos keine Kunst machen. Es bleiben wertige Pressefotos, in der damaligen Aktualität entstanden und heute allenfalls von archivarischem Wert. Daran vermögen auch die Farbgebungen nichts zu ändern. Sie zu zeigen, ist legitim. Ein Sommerspaß. Mehr nicht.

Bis zum 9. Juli in der Galerie Stephen Hoffman, Prannerstraße 5 in München, Di.-Fr. 11-13 und 14-18.30 Uhr, Sa. 11-16 Uhr.

Veröffentlicht am: 16.06.2011

Audioausgabe des Artikels
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Stefan
16.06.2011 18:01 Uhr

Danke für das Resümee im letzten Absatz. Genauso wie Photoshop aus Fotos keine Kunst macht gilt das auch für Kolorierungen. Leider gilt oftmals noch folgendes: Ein schlechtes Foto ist ein schlechtes Foto aber viele schlechte Fotos die ungefähr das gleiche Motiv zeigen sind eine tolle Serie...

gucqanwobn
26.06.2011 20:42 Uhr

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