Alice in Fiesing
Wer bin ich heute, und wenn ja, wie lange? Patricia Aulitzky bestaunt ihre Ausbeute aus der Shoppingtour im Supermarkt der Identitäten. Bild: Florian Bachmeier
Last night a DJ saved my life? Verlasst euch bloß nicht drauf! In Mareile Blendls absurdem Stück „Letzte Nacht hat ein DJ meine Liebe zerstört“ (noch heute abend im Casino des Puerto Giesing) geht es am Rande um DJs und hauptsächlich um Bilderwelten und Selbstverlust.
Patricia Aulitzky fleht mit weit aufgerissenen Augen um Schadensbegrenzung: „Irgendwo muss doch noch ein Rest von mir sein. Komm, hilf mir suchen!“ Da täuscht sie sich aber; sie merkt schon selber, was sie für einen Preis zu zahlen hat für ihren Tanz im Reigen der Identifikationsangebote. Mal ein bisschen Britney, mal ein bisschen Vamp, einmal Alice, dann wieder Femme fatale: Von der eigenen Persönlichkeit ist nach einer langen Einkaufstour im Supermarkt der Identitäten nicht mehr viel übrig. „Körperbilder, Lebensmodelle, Wünsche und Informationen überfluten uns, so dass wir das Vertrauen in unsere eigenen Wünsche und unsere eigene Urteilskraft verlieren können“, sagt Mareile Blendl über ihren absurd-komischen Theater-Erstling.
Das hört sich nun schon fast nach offener Gesellschaftskritik an: Ja , ja, die bösen Medien. Was sie einem an Welten vorgaukeln, und wie schnell man sich darin verlieren kann. Tja, bis du halt an einem Tresen landest in „Fiesing, äh, Giesing – hicks!“
Keine Bange, betulich wird es erst gar nicht, da sei das hektisch-überdrehte Spiel der Patricia Aulitzky vor. Sie nimmt den Zuschauer gleich mit auf einen witzigen und kurzweiligen Parforceritt der Film- und Musikzitate. Angeblich ist sie gerade von ihrem Liebhaber verlassen worden. Wir zweifeln aber bald daran, wahrscheinlich ist auch auch das nur eine Geschichte, die sie sich von irgendeinem Regal genommen hat. Den DJ allerdings, den gibt es wirklich, Albert Pöschl heißt er, er mimt den Geist in der medialen Maschine, mit Spielautomatenmusik oder Schnipselchen aus unserer Truhe der Musikerinnerungen.
Oder zeigt in Wirklichkeit das allerdings schwarze Kaninchen (Tobias Schwaiger) unserer modernen Alice, wo es langgeht im Medien-Wunderland? Erst sitzt es am Tresen, dann schnorrt es eine Karotte, bevor es die Protagonistin in die Show des Lebens dirigiert. Gleich ihr hetzen auch wir Zuschauer noch den kleinsten Assoziationsfetzchen nach und verirren uns im Wald der Musik- und Rollenzitate. Und merken: Wir und unsere Wirklichkeit setzen uns aus Bildern und Vorstellungen zusammen.
Dann sollten wir mal aufpassen, dass wir nicht vollkommen verpixeln. Ein Markenkern sollte schon erhalten bleiben, auch wenn man wie die Protagonistin nie weiß, wie man rüberkommt. Sicher ist nur eines: Wir alle müssen unsere Bühne irgendwann in einer fernen Zukunft räumen. Und Hauptsache, wir haben dann das Gefühl, unsere Show war gut für die Quote.