Anna Konjetzkys "Abdrücke": Intimität vs. Öffentlicher Raum
Performative Entschleunigung und Konzentration inmitten der Isar-Meile des Filmfestes: Im Studio der Muffathalle kreist Anna Konjetzkys Installation "Abdrücke" und "Abdrücke folgen" mit Tanz, Video und Zeichnungen um das Verhältnis von Person und öffentlichem Raum.
Die Frau in dem verspiegelten Glaskasten kann die Betrachter höchstens erahnen. Dennoch sind diese Menschen im Halbdunkel irgendwie Teil der Installation: Die Arme verschränkt oder den Kopf in eine Hand gestützt betrachten sie den schimmernden Lichtwürfel in der Mitte des Raums. Darin eben die Frau (Sahra Huby): mit geschmeidigen Bewegungen durchmisst sie den engen Raum des hell ausgeleuchteten Kubus, verspreizt sich in dessen Winkel, durchzirkelt ihre kleine eckige Welt. Beim Versuch der Selbstverortung steht sie unter Beobachtung, aus allen möglichen Perspektiven, und der Beamer wirft auch noch die Bilder einer Videokamera im Inneren des Glaskastens an die Wand. Da stoßen Intimität des Kubus und öffentlicher Raum massiv aufeinander.
Zwischendurch zeichnet die Frau im hautfarbenen Bikini, die Zeichnungen finden den Weg nach draußen, wie Seiten eines Logbuchs. Per Microport übertragen sich die Geräusche aus dem winzigen Raum nach Außen. Schweres Atmen, ein leises Ächzen: die Erkundung ist so fiebrig wie anstrengend. Nach einiger Zeit beschlagen die Scheiben von innen, Knie, Füße, Ellbogen zeichnen sich im Film ab - flüchtige Spuren. Und immer noch schlendern die Zuschauer um den Kubus herum, eine Betrachtung aus immer neuen Blickwinkeln. Was machen sie sich für ein Bild, von sich, von andern, von uns?
"Abdrücke" und "Abdrücke folgen" lautet der Titel der zweigeteilten Choreographie von Anna Konjetzky, die um die Vermessung des Raums und des eigenen Körpers, um Selbstvergewisserung und -entäußerung, um den Kontrast zwischen der Biegsamkeit des Körpers und der Begrenztheit des Studioraums, zwischen Darbietung im anonymen öffentlichen Raum und der scheinbaren Intimität des Glaskastens kreist.
In der zweiten Hälfte verlagert sich das Geschehen auf eine offene quadratische Fläche: Sahra Hubys Körper zeichnet Skulpturen aus Bewegung in den Raum, präzise Zirkel um eine unsichtbare Mitte, kurzzeitige Symmetrie der Bewegungen kurz vor der Auflösung. Abtasten, Spielräume versuchend. An der Wand wieder Spuren der Tänzerin: Röntgenaufnahmen, das Bild ihres Ausweises, wieder reiben sich die Intimität des von Scheinwerfern abgegrenzten Quadrats mit der öffentlichen Umgebung. Ein inspirierender Abend, manchmal schmerzhaft berührend. Selten sind wir uns so nahe wie beim unverschämten Betrachten eines - Anderen.