„Wenn ich komponiere, möchte ich eigentlich ein schönes Lied schreiben" - Der Jazzmusiker Thomas Faist
Thomas Faist sitzt da und wühlt in seinem Gedächtnis, der Blick geht schräg nach oben, er sieht gerade nichts – er sucht im Inneren. Der Grund dafür ist die unmögliche Frage, die ihm da gerade gestellt wurde: „Seit wann gibt es deine Band?“
Seine Reaktion verrät ihn: Thomas Faist dokumentiert nicht, nimmt sich nicht so wichtig. Er tut einfach, was er tut. Die nächste unmögliche Frage, die nach dem Warum der Gründung beantwortet er sehr sachlich. „Ich habe irgendwann angefangen, meine Stücke für Combo zu arrangieren.“ Und dann, begleitet von einem angedeuteten Schulterzucken: „Ich wollte halt diese klassische Blue-Note-Besetzung.“ Saxophon, Trompete, Rhythmusgruppe.
Er gibt sich, wie er spielt: Zurückhaltend, keine überflüssigen Noten oder Worte, prägnant und auf den Punkt. Es wird zwar kommuniziert, aber nicht mit dem Holzhammer. Und irgendwann versteht man, dass der erste Eindruck falsch ist. Thomas Faist ist nicht, wie er spielt – er spielt, was er ist.
„Wenn ich komponiere, möchte ich eigentlich ein schönes Lied schreiben“, erzählt er. Es mache ihm Spaß, das dann auszuarbeiten, aber den Anspruch des gezwungen Neuen oder Hippen habe er nicht. In seinem nächsten Satz zeigt sich ein Luxus, den sich leider die wenigsten Musiker gönnen: „Ich gehe davon aus, was die Musik für mich bedeutet.“
Seine erste CD „Visionary“ wurde von der Süddeutschen Zeitung so besprochen: „Manchmal gelingt es Musik tatsächlich, Ruhe auszustrahlen.“ Vielleicht kann man das Geheimnis, das hinter diesem Eindruck steckt, so beschreiben: Er sucht nicht mehr, er hat sich gefunden.
Die ersten Berührungen mit dem Jazz können es jedoch nicht gewesen sein, die ihn zu diesem weichen Saxophonsound gebracht haben, der an Paul Desmond erinnert. „Ich war damals neun. Das waren die 60-er Jahre und wir haben Ornette Coleman und den späten Coltrane gehört.“ Mit „wir“ meint er auch seinen älteren Bruder, dessen Hörgewohnheiten er quasi übernommen hat.
Auf Avantgarde zu Grundschulzeiten folgten stundenlanges nachmittägliches Plattenhören in der Musikabteilung eines Pasinger Elektrohändlers, die große Liebe zu Miles Davis’ „Kind of Blue“ („Damit habe ich mich völlig identifiziert.“) und schließlich das Musikstudium in Wien und Boston.
München hat er also nur für kurze Zeit verlassen. Musikalisch treibt er sich auch mal in Indien und Lateinamerika herum. „Für mich ist es das, was den Jazz ausmacht. Da ist eine Vielfalt an Möglichkeiten.“ Er nutzt sie.
Was herauskommt, ist dieser mondäne, lässig-poppige Sound seines Quintetts, das sich seit drei Jahren nicht mehr in der klassischen Besetzung, sondern mit einem Gitarristen in der Frontline präsentiert. „Saxophon und Gitarre klingt einfach gut.“ Schon wieder so ein Satz. Einer, der eigentlich sagt: Was muss ich das erklären, ich will es eben so!
Genauso verfährt er mit den Stücken. „Meistens habe ich zuerst die Nummer, dann einen Arbeitstitel. Der bleibt dann, oder auch nicht. Das füllt sich erst im Nachhinein mit einem persönlichen Inhalt“, Es ist also keine Vertonung seines Innenlebens? „Natürlich braucht es einen gewissen Bewusstseinszustand“, räumt er ein. „Aber ich mache mir keine Vorgabe durch eigene Gedanken.“
Zu welchem Schluss kommt man, wenn man ihm zuhört? Vielleicht zu dem, dass einen eine Vision nicht über sich selbst hinaus, sondern zu sich selbst hinführt? Und dass diese Vision nicht bahnbrechend verrückt sein muss, sondern vielleicht einfach nur ein guter Ohrwurm, ein Groove, oder ein „schönes Lied“.
Thomas Faist Quintet: Thomas Faist: as, ss; Filip Wisniewski: git; Walter Lang: p; Thomas Stabenow: b; Rick Hollander: dr
Zu hören gibt's das Thomas Faist Quinteet am Samstag den 23. Juli ab 21 Uhr im Jazzclub Unterfahrt