Ein verstecktes Geburtstagsgeschenk - Die Alte Pinakothek auf historischen Fotos
Am 16. Oktober 2011 wird Klenzes Prachtbau an der Barer Straße in München 175 Jahre alt. Aus diesem Anlass haben die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen für die Ausstellung "Die Alte Pinakothek in historischen Fotografien" ihr Fotoarchiv geöffnet.
Jan van Eyck steht ohne Kopf da. Auch die rechte Wade fehlt. Opfer der Bombennacht vom 9. März 1943, bei der die Alte Pinakothek schwer beschädigt wurde. Die Statue war Bestandteil der früheren Künstlerbalustrade auf der Südseite des Gebäudes. Die nach Entwürfen von Michael Schwanthaler gefertigten Statuen stellten die im Haus ausgestellten Maler in historischen Gewändern dar. Eine nach dem 9. März 1943 entstandene Fotografie zeigt die Bombenschäden am Dach des Ostflügels. Die Künstlerbalustrade verschwand im Zuge der Notbedachung völlig.
Ludwid I. hat nachgedacht
Kunstsinnig waren sie schon, die Wittelsbacher, und große, engagierte Sammler dazu. Die Kunstwerke der königlichen Sammlung waren auf verschiedene Schlösser verteilt und konnten von der Bevölkerung nicht angesehen werden. In den 1820er Jahren entschloss sich Ludwig I., die Kunstschätze der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Der Hofarchitekt Leo von Klenze erhielt den Auftrag, am nördlichen Stadtrand von München einen Museumsbau zu errichten. Am 7. April 1826 wurde der Grundstein gelegt. Am 16. Oktober 1836 konnte das Museum eröffnet werden. Die Pinakothek war damals der größte Museumsbau der Welt. Durch den Einsatz von Oberlichtern und Nordlichtkabinetten galt er bautechnisch wie konzeptionell als Sensation und wurde zum Vorbild zahlreicher weiterer Museumsbauten in Europa.
Lange war Ruhe. Die Leute konnten sehen und staunen. Der Park vor der Pinakothek war immer auch Treffpunkt für die Menschen. Auch der erste Weltkrieg wurde schadlos überstanden. Danach wurde es unruhig. Zu Beginn des zweiten Weltkriegs wurden die Schätze des Hauses ausgelagert, sodass anschließend keine kriegsbedingten Verluste zu beklagen waren. Anders das Gebäude. Durch die Bombenangriffe 1943 und 1944 wurde es schwer beschädigt, und es blieb bis weit über das Kriegsende hinaus eine Ruine. Sogar über einen vollständigen Abriss wurde offen nachgedacht. Dem Engagement und der Hartnäckigkeit des Architeckten Hans Döllgast ist es zu verdanken, dass es nicht dazu kam. 1952 konnte er nach langen Widerständen mit der Umsetzung seiner Pläne beginnen; 1957 konnte das Museum wieder eröffnet werden. Aber es hatte sich verändert. Der Haupteingang, der sich seit 1836 an der schmalen, zur Barer Straße hin gelegenen Ostseite befunden hatte, war nun an die Nordseite verlegt, die Künstlerbalustrade war nicht wieder aufgebaut worden. Und im Südteil des Gebäudes war eine sich über zwei Stockwerke ersteckende, ebenso schlichte wie noble Treppenanlage eingezogen worden.
Die in der Ausstellung gezeigten Fotografien entstanden zwischen 1909 und 1944. Die Fotografen sind unbekannt. Lediglich bei den nach 1921 entstandenen Aufnahmen kann vermutet werden, dass der wesentliche Teil von Walter Gräff stammt, dem ersten Leiter des in diesem Jahr gegründeten Fotoarchivs der Staatsgemäldesammlungen. Bei den in der Ausstellung gezeigten Bildern handelt es ich um klassische Dokumentarfotografie, in denen Ist-Zustände festgehalten werden und bei denen ein eigener, künstlerischer Anspruch der Bildermacher in den Hintergrund tritt.
Wechselvoll von 1909 bis 1944
Die frühesten, 1909 entstandenen Aufnahmen zeigen den ehemaligen Saal der Restauratoren. Die Reparaturwerkstatt wurde als Ausstellungsraum dazugewonnen, die Fenster zugemauert, um mehr Hängefläche zu erhalten. Erst bei enem Umbau 1909 erhielt er wieder Fenster. Die in der Ausstellung gezeigten Bilder veranschaulichen sehr schön, wie sich der Raum vor und nach dem Umbau präsentierte. Fotografisch zeigen diesen Aufnahmen noch etwas anderes: die Probleme der frühen Fotografie - belichtet wurde auf Glasnegativplatten - mit Streulicht, das gar nicht zu vermeiden war.
Eine 1926 entstandene Aufnahme zeigt den Saal der Altäre, der ursprüngliche Stiftersaal, der zunächst der Präsentation der Werke der großen Sammler aus dem Haus der Wittelsbacher vorbehalten blieb. In Fotografien aus den Jahren 1931 und 1944 wird der nach Entwürfen von Peter von Cornelius, Präsident der Akademie der Bildenden Künste, entstandene Freskenzyklus dokumentiert, der im Loggieneingang des ersten Obergeschosses zu sehen war. Fotografie als Bewahrerin von vergangener Pracht.
Die in der Ausstellung gezeigten, hochwertigen Drucke, denen digitalisierte Abbildungen der Glasplattennegative zugrunde liegen, beeindrucken. Das alles ist in einem vergleichsweise kleinen Raum des Ostflügels der Alten Pinakothek komprimiert zu sehen. Fast wirkt es etwas abgeschoben, was die Spannungg indes nur erhöht. Das ließe sich fortsetzen. Wir würden uns eine ebenso komprimierte Dokumentation dessen wünschen, was nach 1945 geschah. Eine eigene Ausstellung wäre das allemal wert.
Bis zum 18. September 2011 in der Alten Pinakothek in München. Täglich außer Mo. von 10-18 Uhr, Di. 10-20 Uhr. Eintritt zur Sonderausstellung fünf Euro. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.