Was München von Italien hat - jedenfalls mehr als Tambosi: Ein Rundgang
In den Straßencafés gilt der Prosecco schon fast als bayerisches Nationalgetränk, Latte macchiato oder Pinot Grigio gehören zu den Selbstverständlichkeiten. München und Italien - eine besondere Liebe.
Wer am Flughafen ankommt und Hunger verspürt, trifft zunächst einmal auf Lokale, die „Il Mondo“, „Firenze“ oder „Piazza Monaco“ heißen. Der Passagier reibt sich verwundert die Augen und fragt sich, ob er auf dem falschen Airport gelandet ist. Dann wird ihm aber rasch klar: Er ist in Italiens nördlichster Stadt ausgestiegen. München und Italien, eine ebenso enge wie alte Beziehungskiste.
In diesen Sommerwochen vibriert mediterranes Flair auf Plätzen, in Parks, an vielen Straßenecken und in verwunschenen Hinterhöfen. Südliche Heiterkeit liegt in der Luft. Und wer am Odeonsplatz im Café Tambosi einen Espresso schlürft und auf die gegenüberliegenden Fassaden blickt, wähnt sich schon fast in Verona oder Florenz. Nur knapp 200 Kilometer sind es vom Marienplatz zur italienischen Grenze. Auf der Passhöhe des Brenners beginnt für Mittelmeersüchtige das Sehnsuchtsland.
Wo treffen München und Italien besonders intensiv aufeinander? Natürlich in den vielen Trattorien und Ristoranti, in den einfachen Pizzerien und den teuren Edel-Italiern. "Insgesamt betreiben meine Landsleute 600 Lokale innerhalb der Stadtgrenzen", sagt Roberto Farnetani. Er ist ein Spezialist fürs Essen, stammt aus der Nähe von Montalcino in der Toskana. Im Jahr 1971 kam er hierher, arbeitete wie viele Italiener zunächst einmal als Kellner, sammelte auch in verschiedenen Küchen Erfahrung. Zehn Jahr später fühlte er sich so fit, dass er es riskierte, einen eigenen Betrieb aufzumachen. Aus seinem ersten Lebensmittelladen wurde ein Großunternehmen. Farnetani gehört inzwischen zu den größten Lieferanten für die italienischen Lokale. Von der Salami bis zum Spitzenwein aus dem Piemont ist alles bei ihm zu haben.
Der Spezialist für bayerische Italianità bestätigt, was so viele immer wieder behaupten: "München ist wirklich die nördlichste Stadt Italiens." Dass an dieser Behauptung etwas dran ist, beweist ein Blick in die Bevölkerungsstatistik: 22000 Italiener leben ständig hier, sind also Münchner geworden. Es waren nicht nur die Gastarbeiter, die in den 50er und 60er Jahren über den Brenner kamen, die für enge Beziehungen zwischen Deutschen und Italienern sorgten und südliches Lebensgefühl an die Isar brachten. Es waren auch nicht nur die ersten Gardasee-Urlauber, die nach dem Zweiten Weltkrieg die mediterrane Welt entdeckten und ein Stück davon in die Heimat herüberretteten. Wie kam es, dass München schon vor Jahrhunderten italienisch wurde?
Schuld daran ist, wie so oft in der Geschichte, eine Frau. Henriette Adelaide hieß sie und kam im Sommer 1652 aus Turin über die Alpen nach München, um den bayerischen Kurfürsten Ferdinand Maria zu heiraten. Die temperamentvolle und bildhübsche Italienerin aus dem Haus Savoyen empfand ihre neue Residenzstadt als reichlich muffig und provinziell. Ihr Ehemann musste ihr also schon etwas bieten, um sie bei Laune zu halten. Henriette hatte vorgesorgt und kam mit großem Gefolge nach München. Sie brachte aus ihrer italienischen Heimat Musiker, Sänger, Köche, Schneider und Architekten mit, um etwas Glanz in die bayerische Schotterebene zu bringen.
Der Architekt Agostino Barelli aus Bologna wurde berufen und mit großen Aufgaben betraut. Zunächst einmal sollte er einen im eleganten italienischen Barockstil gestalteten Landsitz bauen. Herausgekommen ist dabei das borgo delle ninfe, heute unter dem Namen Nymphenburg bekannt. Ein erster starker Akzent war gesetzt. Im Jahr 1664 begannen die Bauarbeiten. Enrico Zucalli, der Graubündener Architekt mit dem italienisch klingenden Namen, wurde hinzugezogen.
Städtebaulich noch wichtiger wurde die Theatinerkirche, ebenfalls im damals modernen italienischen Barock gehalten. Wieder waren Barelli und Zucalli dabei. Die stadtbildprägende Fassade wurde erst 1765 fertig, sie stammt von Francois Cuvilliés.
Steht man vor dem barocken Prachtbau und blickt um sich – überall Italien. Die Feldherrnhalle, 1841 vollendet, ist eine Nachbildung der Galleria dei Lanzi in Florenz. Friedrich von Gärtner hat sie gebaut, ebenso wie das Siegestor, dessen Vorbild in Rom steht und dort Konstantinsbogen heißt. Ludwig I. hatte beide Monumente konzipiert, um der nach ihm benannten Ludwigstraße ein Entrée und einen Abschluss zu geben.
Ludwig I., ein Italienbesessener, reiste 22 Mal über den Brenner, um immer neue Anregungen zum Ausbau seiner Residenzstadt zu holen. Von dieser Leidenschaft profitiert das Münchner Stadtbild bis heute und gibt ihm einen starken Hauch von Italianità.
Martin Schäfer