Ernst-Hoferichter-Preis 2023 im Literaturhaus
Vornehmer, kühner, scheuer Grafiker des Worts
Am 31. Januar 2023 wurde der höchst angesehene Ernst-Hoferichter-Preis im Literaturhaus durch den Kulturreferenten Anton Biebl an die Journalistin Deniz Aykanat und den Journalisten Karl Stankiewitz verliehen. Für die „Isartürkin“ Aykanat, die mit gleichlautender charmanter Kolumne bekannt geworden war, sprach Oliver Das Gupta die Laudatio. Für Karl Stankiewitz sprach sehr zupackend der Kabarettist Christian Springer, der selbst einmal Journalist werden wollte.
Ich erlaube mir hier, ausnahmsweise im empirischem Ich, nur über Karl Stankiewitz zu schreiben, da ich seit 2013 für das Online-Feuilleton "Kulturvollzug" fast alle Artikel von Karl Stankiewitz bearbeitet, „produziert“ habe.
Ich habe auch, wie Stankiewitz, schon für die Schülerzeitung geschrieben. Meine späteren Kolumnen, in denen ich zu absurden und monströsen Formulierungen und Bildern neigte, waren im damaligen Kunstpark Ost, der ja selbst nur unter leichter Änderung des Blickwinkels seine durchaus surrealen Seiten aufzeigte, beliebt. Karl Stankiewitz ist aber in diesen zehn Jahren Kulturvollzug für mich, ohne es zu wissen oder es intendieren zu wollen, zu einem Lehrer geworden.
Mit der Zeit erkannte ich die spezielle Dramaturgie seines Reportierens. Hinter den Kulissen des Faktischen schien man einen Autor mit einem feinen Lächeln zu erblicken. Keine explizite persönliche Position, das würde seine Skizze zerreißen. Ja, man könnte sagen, sein Stil hat etwas Grafisches.
Und es ist eben das Nachschwingen der Satzarchitekturen, das den Leser die literarische Option seiner Reportagen spüren lässt. Schreiben ist kein Vorgreifen. Eine Prä-Indizierung des Wortes, um möglicherweise eine wohlfeile gesellschaftliche Haltung zu markieren, nicht seine Sache. So könnte man auch seine, ebenso bezeichnenderweise in einem Nebensatz gemurmelte Bemerkung nach der Verleihung auf der Bühne über das Gendern deuten. Trost der Sternchen für einen nicht konsequenten Feminismus? - Das dachte ich, er sagte es ja gar nicht so. Oder doch?
Wer schreibt, bleibt. Das hörte ich als Schüler schon zuhause. Wie Egon Erwin Kisch, dem Stankiewitz auch in seiner Kühnheit nicht unähnlich ist. Im Zuge seiner weltweiten Reportagen hat er sich denn auch eine ganze Reihe respektabler Blessuren zugezogen, unter denen er bis heute zu leiden hat und die ihn zu seinem bis auf Weiteresletzten Band „Meine sieben Plagen“ veranlasst haben. Aber auf der Jagd war er nicht – gar noch nach einer Skandalstory, sein Blick galt oft den Benachteiligten, aber auch den Witzfiguren, Nackerten und Stenzen des Münchner Nachtlebens. Ein Tausendsassa ist dieser eigentlich vornehme, scheue Mensch meines Erachtens nicht. Der vielleicht wichtigste Chronist Münchens nach 1945 ist für mich auch nicht besessen vom Schreiben. Er ist ein Diener des Wortes. Nach der Verleihung saß der 94jährige noch lange am Büchertisch und signierte und gab Auskunft.
Auf kultur-vollzug.de sind seit 2013 im Archiv die Artikel nachzulesen. Auf seine Bücher wird jeweils separat hingewiesen oder verlinkt