Schwarmintelligenz im Shuttlebus: Zur langen Nacht der Museen in München
Wer hätte gedacht, dass der Gag so lange lebt? Als in den 90er Jahren erstmals „lange Nächte“ im Kulturbetrieb veranstaltet wurden, schwankten die Reaktionen der etablierten Kulturverweser zwischen mitleidigem Lächeln und angeekeltem Elitarismus: Das könne nicht Kultur sein, wenn alle kommen, also auch die, die sonst gar nichts von Kultur wissen wollen. Das ist keine Kultur, hieß es, das ist der merkantile Versuch, sorgsam gepflegt Kunst- und Kulturinstitutionen für den eventhörigen Pöbel konsumierbar zu machen.
Vom Dünkel abgesehen, ist ja auch ein bisschen was dran: Kultur, die nur noch Unterhaltung ist, entleert sich und wird bedeutungslos. Die Eventseuche hat viele Museen, Theater und Medien infiziert. Im verzweifelten Kampf um Aufmerksamkeit merken sie schon gar nicht mehr, wie sie ihren eigentlichen Inhalt vergessen, Glaubwürdigkeit untergraben und somit letztlich das wirklich interessierte Publikum verlieren.
Doch das ist nur ein Aspekt und nicht die ganze Wahrheit. Denn eine Kultur, die von niemandem gesehen, gehört und diskutiert wird, ist genauso sinnlos. Demokratie bedeutet auch möglichst breit angelegten gesellschaftlichen Diskurs über Fragen, die über den Alltag hinausweisen, bedeutet Reflexion über Zusammenhänge und Sinn. Eine Gesellschaft, in der dies lediglich Fachleute und Experten unter sich tun, kann niemand ernsthaft wollen. Schwarmintelligenz ist nur eine Form von Intelligenz, aber es gibt sie.
Die „langen Nächte“ schwanken manchmal zwischen nerviger Sause mit Shuttlebus und wunderbarer Kulturparty. Dass die Münchner „Lange Nacht der Museen“ nun schon zum zwölften Male stattfindet, zeigt dass ihr Konzept etwas Tragfähiges und Nachhaltiges haben muss. Dass die Freude an einer besonderen Nacht mit besonderen kulturellen Möglichkeiten eine größere Rolle spielt als der schnelle Kick in einer Eventarena namens München.
Es kommt nicht oft vor, dass sich so viele Museen und Kultureinrichtungen einträchtig und serviceorientiert präsentieren. Kultur will kennengelernt werden – und in dieser Nacht ist das besonders einfach und schön. Und wer trotzdem nur durchrennen mag, der soll das tun und dabei seinen Spaß haben. Man kann ja unter der Woche nochmal in Ruhe wiederkommen.
Am Samstag, 16. Oktober, 19 bis 2 Uhr. Informationen unter www.muenchner.de/museumsnacht. Das Ticket kostet 15 Euro und gilt für einen Erwachsenen mit bis zu vier Kindern (4 – 14 Jahre) für das Kinderprogramm am Nachmittag und für das reguläre Programm am Abend. Es berechtigt zum Eintritt in alle beteiligte Häuser und gilt als Fahrkarte für die MVG-Shuttlebusse sowie am Veranstaltungstag für eine Person von 12 Uhr bis 8 Uhr früh für das MVV-Gesamtnetz. Am Samstagabend gibt es Tickets an allen Abendkassen der beteiligten Häuser sowie ab 16 Uhr am Kassenzelt auf dem Odeonsplatz