Kultur-Stadtrat Richard Quaas über die Zukunft des Klangfestes (und einige andere Themen)
"Da müssen dann notfalls die anderen ein Stück zusammenrücken"
Warum nicht auch ein Platz für das Klangfest? - Die geplante Interims-Philharmonie an der Hans-Preißinger-Straße in Sendling. Simulation: gmp
Am Pfingstsamstag geht's wieder bunt und laut zu im Gasteig: Zum neunten Mal in Folge findet das Klangfest statt. Es spielen 32 Bands auf vier Bühnen, der Eintritt ist frei. Der Kulturvollzug überträgt live den Stream aus der Medienlounge (Link am Ende des Textes). Im Interview erklärt Richard Quaas, Kultur-Stadtrat der CSU, wie der Gasteig heute gesehen wird, warum der Umzug so schwierig ist, und was daran die Münchner unnötige Millionen kostet. (Und ein bisschen was über einen gewissen Matthias Lilienthal sagt er auch.)
Herr Quaas, momentan kann man mit Ihnen kein Interview führen, ohne zunächst etwas zu Matthias Lilienthal als Intendant der Kammerspiele zu fragen. Sie haben als Kulturstadtrat der CSU maßgeblich dazu beigetragen, dass ihre Partei sich im Frühjahr gegen Lilienthal stellte, welcher daraufhin ankündigte, seinen Vertrag in München nicht verlängern zu wollen. Daraufhin wurde Ihnen unter anderem unterstellt, Sie hätten als CSU-Politiker doch ohnehin keinen Draht zum Programm der Kammerspiele. Ihre Antwort?
Ich kenne mich in der Münchner Kulturszene insgesamt gut aus, ich versuche mich nach Möglichkeit in jeder Richtung zu informieren, gerade in der Theaterszene. Für einen Kommunalpolitiker sind das eigene Theater-Haus, beziehungsweise die eigenen Häuser wie auch die freie Szene ganz wichtig. Und dann bemerkt man es auch, wenn ein Haus wie die Kammerspiele in das Metier der freien Szene einbricht. Auf der Seite der freien Szene hat sich einiges verändert - und auf der anderen Seite laufen den Kammerspielen die Abonnenten davon. Bei so einer Entwicklung muss man genauer hinschauen. Natürlich versuche ich als Stadtrat, mir immer wieder selbst Stücke in den Kammerspielen anzusehen, ich habe aber auch eine Gruppe von Leuten, mit denen ich regelmäßig in Kontakt bin und die mir von ihren Erfahrungen dort berichten. Ich kann zu fast jeder Premiere an dem Haus mir eine ausgewogene Meinung herausfiltern. Ich kann sehr gut beurteilen, was an dem Haus los ist.
Ist die Debatte um Lilienthal fair gelaufen?
Lilienthal selbst hat sich ja weitgehend zurückgehalten, er hat seinen Rückzug als erstes dem Kulturreferenten mitgeteilt. Er hat dann versucht, über Webseite und soziale Medien ein paar Spitzen loszulassen. Das ist okay. Problematischer war sein Umfeld. Das hat nicht fair und sehr emotional reagiert. Fakt ist, dass die CSU beschlossen hat, nicht mehr für eine Vertragsverlängerung des Intendanten zu stimmen. Das habe ich dem Kulturreferenten Küppers mitgeteilt, zuvor hatte ich Lilienthal schon Signale gesendet. Küppers hat es dann Lilienthal gesagt. Ich denke, das ist der normale und faire Weg. Küppers hatte mir noch gesagt, er werde dann eben schauen, ob er eine andere Mehrheit für Lilienthal finden kann. Auch das ist sein gutes Recht. Aber offenbar hat zuvor bereits, wie auch ich das dann zur Kenntnis nehmen musste, Herr Lilienthal die Segel gestrichen. Ich finde, seine Entscheidung ist kulturpolitisch eine gute Entscheidung. Jetzt lassen die Chancen, die wir zumindest ab 2020 haben, also nach dem Ende von Lilienthals Vertrag, wieder Positiveres erwarten als das, was wir unter seiner Intendanz ansehen mussten.
Die kleinen Stadtratsfraktionen FDP und HUT haben beantragt zu prüfen, ob man den Vertrag des Intendanten vorzeitig auflösen könne...
Ja, das habe ich auch gelesen. Und es wäre auch konsequent. Wenn man eine Willensäußerung abgibt, die Kammerspiele verlassen zu wollen, sollte man eigentlich nicht noch zwei Jahre draufsatteln, sondern sagen, dass es jetzt gut ist und reicht. Ich würde es durchaus mit Respekt und mit positiven Gedanken sehen, wenn Lilienthal die Kammerspiele vorzeitig verlassen würde.
Wir sollten nun doch über das Klangfest und den Gasteig reden - für beides sind Sie in der CSU-Fraktion ebenfalls zuständig....
Ja! Wir haben erst im letzten Jahr einen Antrag gestellt zur Stärkung der Popkultur. Er ist im Kulturreferat immer noch in Bearbeitung. Es ist uns zugesagt, dass wir bald eine Antwort bekommen. Wir sind sehr dahinter her, dass in München nicht nur die Klassik, die hier sehr stark ausgeprägt ist, zum Zuge kommt, sondern auch die verschiedenen Sparten der Pop- und Jugendkultur. Dazu gehören Rock, Indie, Jazz und natürlich auch die elektronische Musik. Wir haben hier in München eine äußerst lebendige Elektro-Szene, gerade in Verbindung mit Video-Kunst, die zudem sehr stark vernetzt ist mit Start-up-Unternehmen. München ist in diesem Bereich eines der Zentren in Deutschland!
All dies war ja nicht unbedingt das klassische Klientel der CSU. Was ist passiert, wer ist auf wen zugegangen?
Es ging in der Politik im Kulturbereich immer darum, Kunst zu ermöglichen. Wir müssen Plattformen schaffen. Künstler, die in München arbeiten, müssen - zumindest auf Zeit - Möglichkeiten und Räume zum Arbeiten zur Verfügung gestellt bekommen. Wir haben hier ein ganz breit aufgestelltes Publikum, das in der Klassik zuhause ist, aber auch in ganz anderen Bereichen wie zum Beispiel der elektronischen Musik. Ich habe festgestellt, dass es hier eine interessierte und gute Szene gibt, die wir unterstützen müssen, auch wenn manches nicht mein persönlicher Augenstern ist, was den Hörgenuss angeht. Und das gehört zur Förderung von Kultur, dass man unabhängig vom eigenen Geschmack neue Ideen und Experimente ermöglicht.
Abseits vom persönlichen Geschmack gab es aber lange ideologische Grenzen zwischen der nicht-klassischen Musikszene und einer konservativen Partei!
Ich habe schon immer versucht, Politik von der Kunst zu trennen. Ich bin der Meinung, dass Kunst nicht in jedem Fall auch politisch sein muss oder zumindest politisch beeinflusst werden muss. Ich habe aber auch gar keine Berührungsängste, mit Künstlern zusammenzukommen, die in ihren politischen Einstellungen prononciert links sind. Umgekehrt dürfen die halt auch keine Berührungsängste haben, mit einem Politiker zu reden, der liberal-konservativ denkt. Wenn man diese Schere im Kopf mal beseitigt und das Ermöglichen, das Entwickeln in den Mittelpunkt setzt, dann kommt man auch gut zusammen. Meine Einstellung ist so: Ich rede eigentlich mit allen.
Nun ist ja auch der Gasteig ein Produkt seiner Zeit, einer Kulturhaltung, mit einer in den 70er und 80er Jahren klar sozialdemokratischen Prägung: Kultur für alle und so weiter. Spielt das für die CSU in ihrer Haltung zu dem Gebäude heute noch eine Rolle?
Der Gasteig wird, so wie er heute ist und bespielt wird, durchaus akzeptiert, von der Bevölkerung wie von der Politik. Der Gasteig wurde ja auch fertiggebaut in einer Zeit, in der die CSU die Stadtregierung gestellt hat. Die CSU ist schon damals mit der Belegung und Bespielung des Hauses konform gegangen. Der erste Geschäftsführer war ja auch nicht unbedingt ein links-liberaler Mensch, sondern eher liberal-konservativ. Und genauso sind wir mit dessen Nachfolgerin, Brigitte von Welser, sehr gut klargekommen. Es war ja schon immer so, dass nicht nur städtische und staatliche Institutionen das Programm stellten, sondern auch sehr stark die freien Veranstalter. Dazu auch die Stadtbibliothek und weitere literarische und musikalischen Veranstaltungen. Diese Vielfalt im Haus gilt es zu erhalten. Die wollen wir auch über die Umbauphase, die jetzt endlich bald beginnt, hinüberretten. Deshalb geben wir uns sehr viel Mühe mit der Interimsspielstätte, die dem gleichen Benutzerkreis, wie er jetzt im Gasteig vorhanden ist, zur Verfügung stehen soll.
Nur dürften wir hier eigentlich heute gar nicht mehr sitzen und über einen kommenden Umbau reden, da Frau von Welser schon vor vier Jahren im Interview mit dem Kulturvollzug gesagt hat, dass spätestens ab 2018 die ganzen technischen Anlagen im Haus nicht mehr laufen dürfen - und selbst dieser Termin war schon einige Male hinausgeschoben worden. Sind Planungsprozesse in der Kultur schwieriger geworden?
Es ist unglaublich schwierig! Der Gasteig ist ein so allumfassendes Haus! Man muss jede einzelne Tätigkeit darin berücksichtigen, wenn eine Verlagerung notwendig wird. Wir müssen bei der Übergangslösung alles genau durchplanen, was wo hinkommt und für welche Zeit. Und bei all dem müssen wir die Kosten im Auge behalten, die dürfen nicht aus dem Ruder laufen. Wir haben jetzt einen guten Weg gefunden, die Nutzerinnen und Nutzer, also alle Bürger, einzubinden, ebenso wie diejenigen, die im Überhangs-Haus spielen müssen wie die Philharmoniker oder die freien Veranstalter. Inzwischen haben wir - glaube ich - ein Konzept gefunden haben, das tragfähig ist. Dazu hat auch der neue Geschäftsführer des Gasteigs, Max Wagner, mit seinem Team sehr gut beigetragen.
Nun hat es ja länger und länger gedauert, weil grundsätzliche Fragen der Sanierung umstritten waren. Und kaum hatte man eine Lösung auf dem Stadtwerke-Gelände in Sendling, begann sofort eine Debatte um das Schicksal der dort noch vorhandenen Zwischennutzer. Fast wäre die Gesamtlösung für den Gasteig daran gescheitert. Finden Sie es richtig, dass Zwischennutzer, bei allem Verständnis für die Schwierigkeit ihrer Lage im Einzelfall, inzwischen eine solche Macht haben?
Nein, ich finde das nicht richtig. Man hatte den Zwischennutzern auf dem Gelände die Möglichkeit eingeräumt, für eine gewisse Zeit die Räume zu nutzen. Zu günstigen Konditionen. Aber es war immer und von vorn herein klar, dass das eine zeitlich befristete Sache ist. Das Verhalten der Künstlerinnen und Künstler dort und einiger anderer Nutzer führt dazu, dass sich Vermieter wie die Stadt, die Stadtwerke, aber auch private Vermieter, es sich dreimal überlegen müssen, bevor sie so etwas in Zukunft wieder interimsmäßig zur Verfügung stellen. Denn die Gefahr ist riesig, dass dann, wenn die Zeit der Vermietung beendet werden muss, dass die Leute sich einfach weigern die Verträge zu erfüllen. Dass sie Protestaktionen veranstalten und versuchen die Öffentlichkeit für sich einzunehmen, damit man die Leute schlichtweg nicht mehr rausbekommt! Die Stadtwerke wollten ja ursprünglich Wohnungen auf dem Gelände bauen - auch das ist in München eine Notwendigkeit! Aber selbst bei einer kulturellen Nutzung durch den Gasteig war die Ablehnung durch diese Zwischenmieter total. Und es war dann nur noch eine Einigung möglich, dass letztlich alle nichtgewerblichen Nutzer zu 100 Prozent dort bleiben können. Um den Preis, dass man lieber bei der Stadtbibliothek Abstriche gemacht hat. Diese muss jetzt zum Teil in andere Bereiche der Stadt ausweichen, damit Zwischenmieter bleiben können, die sich nicht an das halten wollen, was sie mal in ihren befristeten Mietverträgen unterschrieben haben. Ich bin mal gespannt, wie es nach dem Ende der Nutzung durch den Gasteig aussieht, wie die Stadtwerke dann mit den Mietern umgehen können, die - man muss es nochmal sagen - von Anfang an nur auf Zeit dort überhaupt zugelassen wurden.
Man ignoriert Verträge, weil das Eigeninteresse höher steht, man setzt seinen Egoismus absolut, weil man damit tatsächlich etwas erreichen kann. Und wird dabei noch unterstützt vom Großteil der Medien. Wo liegt die Ursache für dieses Phänomen, das ja nicht nur dort um sich greift?
Dahinter steht vor allem die Lust der Medien an der Sensation. Sie greifen etwas auf und peitschen es auf, sobald es Zoff geben kann.
Der Kleine gegen den Großen ist immer eine gute Geschichte, und der Kleine muss immer recht haben, egal was vorher war.
Richtig! Das gibt immer wieder gute Schlagzeilen. Diese Nutzer arbeiten ganz bewusst mit den Medien und die lassen sich gerne benutzen. Natürlich sehe ich auch, dass da jemand eine günstige Miete zahlt und auf dem Mietmarkt schlechte Chancen hat etwas anderes zu finden. Doch deren Motto lautet: Wenn ich da mal sitze, dann bleibe ich, egal was kommt. Sollen doch die Vermieter schauen, wie sie uns hier rausbekommen. Bis ein Vermieter solche Mieter selbst im gewerblichen Bereich heutzutage wieder aus seinen Gebäuden herausbekommt - da vergehen Jahre. Damit wird spekuliert. So waren weder der Mieterschutz noch der Rechtsstaat gedacht.
Dass die Mieter sich zu wehren versuchen, ist unter Umständen ihr gutes Recht. Aber das Erstaunliche ist doch, dass in solchen Fällen auch die öffentliche Meinung ausschließlich in eine Richtung tendiert: Der angeblich arme Kleine muss unterstützt werden, und eine für die gesamte Stadt und die gesamte Bevölkerung wichtige Lösung hat man nicht mehr im Blick. Da hat sich doch offenbar etwas verschoben?
Es ist ganz klar, in der Öffentlichkeit werden die, die raus müssten, nur noch als Opfer wahrgenommen, es wird nicht mehr drüber diskutiert, dass die Vermietung nur auf Zeit erfolgte. Da werden dann der Staat oder die Öffentliche Hand, die ja das Gesamtwohl im Blick haben müssen, von vorn herein abgelehnt. Viele Menschen sehen dann gar nicht mehr, dass die Kosten, die durch so etwas auch entstehen, dann der Steuerzahler zahlen muss, also jeder einzelne von ihnen selbst. Die Steigerung der Kosten beim Gasteig-Umzug, die allein durch die Verzögerung durch diese Diskussion entstanden sind, sind im mehrstelligen Millionenbereich zu sehen! Der Bürger, der sich hier auf die Seite dieser Interimsmieter stellt, nimmt billigend in Kauf, dass sein Steuergeld im Grund unnütz aus dem Fenster geworfen wird.
Was ja auch unter die Räder des Umzugs kommen könnte, ist das Klangfest im Gasteig. Bislang hat man offenbar keinen künftigen Platz für dieses Festival. Es gibt Ideen, es wird die Muffathalle genannt oder die Alte Kongresshalle. Was ist Ihr Vorschlag?
Ich könnte mir nach wie vor gut vorstellen, dass es auch in Sendling an der Hans-Preißinger-Straße 8 die Möglichkeit geben sollte, so etwas wie das Klangfest wieder unterzubekommen. Es sollte aus meiner Sicht unter dem Dach des Gasteig bleiben. Der Name Gasteig wird ja auch als Marke an die Hans-Preißinger-Straße wandern. Da gehört aus meiner Sicht das Klangfest dazu. Die Möglichkeiten, die wir an diesem Interimsspielort für den Gasteig haben, die müssten doch auch dafür reichen, dass man das Klangfest in gleicher Art und Form wie bisher dort unterbringen kann. Da müssen dann notfalls auch die anderen Nutzer ein Stück zusammenrücken.
Programm und Infos: www.klangfest-muenchen.de.
Der Kulturvollzug überträgt während der Veranstaltung den Live-Stream aus der Medenlounge im Gasteig.
Das Klangfest wird präsentiert von der Regionalgruppe Süd des Verbands unabhängiger Musikunternehmen in Kooperation mit dem Kulturreferat der Landeshauptstadt München. Am Samstag, 19. Mai, treten im Gasteig 32 Bands auf vier Bühnen auf. Bayerische Musikfirmen bieten beim „CD-Salon“ und einer Ausstellung Einblicke in den Alltag von Musikunternehmen. Von 15 bis zirka 23 Uhr gibt es im Stundentakt musikalische Auftritte auf allen Bühnen. Künstlerinnen und Künstler stehen nach ihren Auftritten für Interviews und Publikumsfragen zur Verfügung. Ab 13 Uhr wird in der Medienlounge im Foyer des Gasteig in der Podiumsdiskussion „Frau Macht Musik? Frauen in der Musikbranche!“ den speziellen Bedürfnissen von Frauen in der Musikbranche nachgegangen. Auch hier ist der Eintritt ist frei. Um langes Schlangestehen zu vermeiden, können Einlass-Bändchen jeweils eine Stunde vor Beginn des jeweiligen Konzertes abgeholt werden.