Mit der Open Art startete die neuen Galeriensaison: Drei Foto-Eindrücke

von Achim Manthey

Zentrale 5 (Foto: Juliane Duda)

Mit der 23. Open Art am vergangenen Wochenende starteten die Münchner Galerien für zeitgenössische Kunst in ihre neue Saison. Mehr als 90 Galerien und Institutionen haben sich beteiligt, trotz des schönen Spätsommerwetters waren die Ausstellungen überdurchschnittlich gut besucht. Viel Neues gab es zu sehen. Aber auch die Mühe, mit der Tradition dieser Veranstaltung mitzuhalten war bei den Veranstaltern spürbar, die sich etwas hilflos mit den "Künstlern der Galerie" über die Runden hangelten. Was tut sich im Bereich Fotografie? Drei ganz unterschiedliche Beispiele.

 

 

Der Baum auf dem Gipfel

Huangsha Mountains, Study 21, Anhui, China, 2008 (c) Michael Kenna

Mit 21 analogen Schwarz-weiß-Fotografien von Michael Kenna macht Bernheimer Fine Art Photography ganz klassisch auf. Kenna, 1953 im englischen Widnes geboren, zählt zu den bedeutensten Landschaftsfotografen der Gegenwart. Die in der Ausstellung gezeigten Aufnahmen entstanden zwischen 2008 und 2010 in Huangshang-Gebirge in der südchinesischen Provinz Anhui. Studien nennt der Fotograf die Fotografien selbst in fast typisch britischem Understatement. Sie sind weit mehr als das. Zu sehen sind Nebellandschaften aus denen Berggipfel, aber auch Bäume oder bloße Geäste scharf akzentuiert hervorgehoben sind. Einige Aufnahmen wirken wie Scherenschnitte. Ein Baum, der auf dem Felsengipfel sein Dasein fristet und sein Haupt gleichwohl voller Stolz gen Himmel reckt. Steintreppen quälen sich förmlich durch Felsspalten. Filigrane Brücken verbinden karge Steinlandschaften. Durch extrem lange Belichtungszeiten entstehen Unschärfen, Weichzeichnungen. Es sind melancholische Fotografien, meditativ und poetisch.

Ergänzt wird die Ausstellung durch Bilder von "Fotografen der Galerie", darunter Toni Schneiders, Nick Brand und Mirella Ricciardi. Dagegen ist im Grundsatz nichts zu sagen, würde es denn passen. Das tut es hier nicht. Michael Kennas Fotografien werden fast erschlagen durch die über Eck und gegenüber gehängten großformatigen Farbfotos.

Der Baum im Zimmer

Zentrale 1 (Foto: Juliane Duda)

In der Ausstellung "Abandoned Worlds" zeigt die Galerie Christa Burger Arbeiten von drei jungen Fotografen, die sich verwaisten, verlassenen Lebensräumen gewidmet haben.

Grundlage der Arbeiten von Juliane Duda sind Videoaufnahmen, die in dem ehemaligen Kulturhaus Ahrenshoop entstanden, einem Prestigeobjekt der DDR, nach der Wende aufgelassen und dem Verfall preisgegeben, schließlich abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. Für die Bilderreihe "Zentrale" hat die Fotografin Einzelbilder aus den Videos auf kleine Glasscheiben projiziert, die wiederum zusammengeklebt und eingesägt sind. Fiktive Bildrealtäten, losgelöst von realen Landschaften, entstehen. Die Bildkompositionen erscheinen wie Scherben, die den Verfall symbolisieren.

In der Reihe "Die Konstruktion der Stillen Welt" bildet Nathalie Grenzhauser Landschaften ab, die zerfurcht werden durch aufgelassene Bergwerke. Ein durch blaue Bauten geschützetes Förderband stürzt den Abhang hinab ins Nichts. Der Himmel nimmt die Farbe der Anlage auf. Ein Schienenstrang führt durch die hölzernen Schutzverstrebungen der Mine in die Dunkelheit. Die Aufnahmen suggerieren eine nach Rückzug der Menschenhand sich ins Unberührte entwickelnde Idylle, die zugleich fasziniert wie erschrecken kann.

Durch die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl 1986 geprägte Lebensraume portraitiert Andrej Kremtschouk in der Serie "Chernobyl I und II". Häuser und Wohnungen sind menschenleer, unbewohnbar. Stühle, Tische sind zurückgeblieben, stehen wie unbeteiligt im Raum, letzte Habseligkeiten stapeln sich in Kammern. Eine Birke wächst durch die Decke. Fast scheint es , als erobere sich die Natuar aller Strahlung zum Trotz ihr Terrain zurück. Es sind stille, sentimentale Bilder, die von Einsamkeit und Verlust erzählen, von Heimat auch und den wenigen Menschen, die trotz der erhöhten Strahlenbelastung zurückgekehrt, eben nur hier daheim sind.

Die Ausstellung ist sehenswert, auch wenn den Fotografien das fehlt, was Fotokunst ausmacht. Aber sie transportieren auf ganz unterschiedliche Weise Geschichten, lenken den Blick des Betrachters auf Umstände, die er nicht oder nicht mehr im Blick hat. Was will man mehr?

Waldi auf dem Dach

Eingeschneit (Foto: Mike Bourscheid)

Diese völlig belanglose, in der Galerie Traversèe irgendwo über dem Abgang zum Untergeschoss plazierte Zeichnung gibt der Ausstellung ihren Titel. Zu sehen sind Arbeiten des 27-jährigen Luxemburgers Mike Bourscheid. Die gezeigten Fotoarbeiten entstanden während eines mehrwöchigen Aufenthalts in Kalifornien. Das eigentliche Ziel der Expedition, die Besteigung der Big Wall "The Nose" im Yosemite Nationalpark scheiterte, beschert dem Betrachter aber eine Fotografie, die den Blick von oben auf eine surreal erscheinende Landschaft eröffnet. "Reno", eine aus zwei übereinander gelegten Bildern bestehende Komposition zeigt ein völlig versifftes Hotelzimmer. Die in der Nachbearbeitung eingefügte Blaufärbung unterstreicht die Kälte, die von dem Schneewald ausgeht. Neben den Fotoarbeiten sind Installationen zu sehen, darunter ein Holzhäuschen mit Transisterradio, das wohl Kindheitserinnerungen des Künstlers widergeben soll. Das alles wirkt seltsam pubertär, unausgegoren, als würden hier unerfüllte Jugendfantasien endlich gelebt. Der Betrachter muss sich die Frage beantworten, ob er das braucht.

 

Michael Kenna bei Bernheimer Fine Art Photography bis zum 15. Oktober 2011, Brienner Straße 7 in München, Di-Fr 10-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr, Eintritt frei.

"Abandoned Worlds" in der Galerie Christa Burger bis zum 22. Oktober 2011, Theresienstr. 19 (Eingang Fürstenstr.), Di-Fr 14-18.30 Uhr, Sa 12-15 Uhr, Eintritt frei.

"Waldi auf dem Dach" in der Galerie Traversèe bis zum 15. Oktober 2011, Theresienstr. 56b, 2. Hof, Di-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr, Eintritt frei

 

 

 

Veröffentlicht am: 17.09.2011

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