Gegensätzliche Paare - Fotografien von Moritz Partenheimer
Wo der Strom vom Himmel kommt: In der Ausstellung "Points of Interest" präsentiert die Galerie Jordanow in München Arbeiten des Fotografen Moritz Partenheimer.
Inmitten von Felsbrocken reckt sich ein hagerer Baumstamm schnurgerade in die Höhe. Daneben ein Metallkasten, an dem drei grüne Lämpchen brennen, ein Starkstromverteiler womöglich. Kasten und Baum verbindet ein Kabel, das an den Baumstamm angenietet nach oben ins Irgendwo führt. Kommt der Strom vom Himmel? Zwei Abfalleimer, von dieser Konstruktion aus Holzlatten umgeben, die man aus Fußgängerzonen kennt, daneben zwei metallenen Sitzbänken mit hölzener Sitzfläche an einer Treppe vor einer Hauswand aus Steinquadern. Auf dem Boden parallele Schattenbildungen der Behältereinfassungen und Banksitze. Das alles ist in grünlich-fahles Licht getaucht.
Wenn die Bürger schlafen gehen oder noch nicht wieder wach sind, zieht Moritz Partenheimer (32) los auf der Suche nach Orten, die bei Tageslicht gar nicht auffallen würden. Stätten, die durch eigene oder benachbarte Lichtquellen einen besonderen Reiz ausüben, auch zu Unorten werden, wie das Wartehäuschen, das eigentlich ein Bretterverschlag ist, ein Schild "Plakatieren verboten" darin, der Straßenzug davor blau illuminiert. Das Bild strahlt Kälte und Einsamkeit aus, wäre für jeden Location Scout ein idealer Verbrechensort.
Ein grüner Laternenmast steht neben einem parallel zu ihm verlaufenden Regenrohr, das an einer grauen, von weißen Kassettenmustern unterbrochenen Hauswand angebracht ist. Rechts daneben liegt eine Euro-Palette, die, würde sie hochkant gestellt, das Muster der Wand aufnehmen würde. Der Bildaufbau ist streng geometrisch. Dinge finden sich zu Paaren zusammen, auch zu Gruppen, oder zu beidem wie in dem Bild mit den fünf rot-weißen Begrenzungspfählen, hinter denen sich zwei miteinander korrespondierende Papierkörbe fast verbergen.
Seit 2005 ist Partenheimer für seine fotografische Langzeitbeobachtung "Points of Interest" unterwegs. Die 13 in der Ausstellung gezeigten Aufnahmen entstanden in Deutschland, den USA und Skandinavien; die genauen Orte verrät der Fotograf nicht. Düstere, beklemmende Bilder sind das, auch geheimnisvoll, verwunschen, wie der nächtliche Ort in dem Bild, das ein parallel zu einer Elektroleitung verlaufendes Regenrohr an einer Hauswand zeigt, daneben einen Lattenzaun, dessen abgeschrägte Spitzen von der benachbarten Straßenbeleuchtung in zartes Licht getaucht sind. Oft sind es winzigste Details, die die Bilder bemerkenswert machen. Ein Elektroraum wirft wenig Licht auf eine Betontreppe. Zwei winzige am Fuß der Treppe und auf der ersten Stufe liegende Kügelchen aus Was-auch-immer, die nur bei genauer Betrachtung zu erkennen sind, führen aus der Düsternis. Dass der Fotograf die Tristesse auch auflösen kann, zeigt das groteske Foto des an der kargen Betonwand eines Parkhauses angebrachten Verkehrsschildes "Durchfahrt verboten". Dieses runde, rote Schild mit dem weißen Balken in seiner Mitte zaubert ein Lächeln in die Situation und auf das Gesicht des Betrachters.
Ergänzt wird die Ausstellung durch vier Bilder aus der Serie "Lost in Translation", die 2009 an der Adria entstanden ist. Es sind Tagesaufnahmen in kräftigen, mediteranen Farben mit strengem, klassischem Aufbau, über denen bei aller Klarheit ein eigenartiger Schleier zu liegen scheint.
Moritz Partenheimer fotografiert analog im Mittelformat. Die Überlegenheit dieser angeblich veralteten Technik gegenüber der reinen Digitalfotografie wird an diesen bemerkenswerten Aufnahmen, die erst nachträglich digitalisiert wurden, offenbar.
Bis zum 23. Oktober 2011 in der Galerie Jordanow, Fürstenstraße 11 in München, Mi-Fr. 14-19 Uhr, Sa 10-16 Uhr. Der Eintritt ist frei.