Landschaftsbilder des Malers Ji Dachun in München: China traditionell und surreal

von Achim Manthey

Ji Dachun, Ellen's Book, 2010 (Foto: courtesy Barbara Gross Galerie)

Eine Kombination traditioneller chinesischer Landschaftsmalerei mit westlicher Moderne ist in der Ausstellung "Bird painting without Bird" mit Werken des Malers Ji Dachun in der Barbara Gross Galerie zu sehen.

Auf dem Gemälde, das der Ausstellung den Titel gibt, ist tatsächlich kein Vogel zu sehen. Dafür ein menschlicher Beinknochen, Ober- und Unterschenkel, der auf einen Ast gebunden ist, aus dem Blätter der Hoffnung sprießen. Ein Ohr, allein für sich, laucht an einem anderen Ast, aus dessen Zweigen Augen nach vorn und hinten lugen, aufgeregt fast als wähnten sie Beobachtung. Und da, an einem kleinen Zweig ein Bündel Vogelfedern. Es ist ein surreales Gemälde, dalinesk geradezu und mit offensichtlicher Symbolkraft versehen.

China befindet sich in einem rasanten Wandel. Das Land schickt sich an, die größte Wirtschaftsmacht der Welt zu werden, erlebt tiefgreifende Modernisierungen. Damit gehen gravierende soziokulturelle Veränderungen einher, die der Staat aus Angst vor dem Verlust der seit Jahrzehnten aufgezwungenen Identität unterdrückt. Unterhalb der Ebene der prominenten Künstler, die sich wie Ai Wei Wei artikulieren und dafür abgestraft werden, sucht sich die Kunst Nischen und geht neue, individuelle Wege.

Ji Dachun, 1968 in Nantong geboren, lebt und arbeitet in Peking. An zahlreichen Ausstellungen in Europa war er in den vergangenen Jahren beteiligt, darunter in der bedeutenden Sammlung chinesischer Gegenwartskunst Sigg des Kunstmuseums Luzern oder im Koblenzer Ludwig Museum. In München sind seine Werke erstmals zu sehen.

Ji Dachun, Landscape, 2011 (Foto: courtesy Barbara Gross Galerie)

Ji Dacuns Werke sind der klassischen chinesischen Landschaftsmalererei in der Tradition des Shanshui eng verbunden, einer Kunstrichtung, die dem Betrachter kein offenes Fenster auf das Gezeigte öffnet, sondern ein Objekt für den Geist, für seine Fantasie ist, wie der Lyriker Ch'eng Hsieinmal schrieb. Die Tradition verknüpft Di in seinen Arbeiten mit der westlichen Moderne, mit der zeitgenössischen Malerei, wie sie unter anderem von Mondrian, Picasso und Baselitz geprägt wird. Hieraus entwickelt sich eine eigene Bildersprache, rätselhaft, auch widersprüchlich. Und doch führt sie zurück auf die traditionelle chinesische Malerei. Zart auf die Leinwand gebrachte, andeutende Landschaften vermitteln dennoch eine Komplexität dessen, was der Künstler sieht und auf den Betrachter überträgt. Surreal wiederum das ganz dunkel gehaltenemystisch wirkende "Ellen's Book" oder auch "Holy Mother A Hostage", das einen Baum der Erkenntnis symbolisieren könnte. Parallelen zu Dali wiederum sind in dem 2008 entstandenen Gemälde "Dirty Water" zu sehen: Ein geöffneter Frauentorso gibt den Blick frei auf das, was die Welt schlecht macht. Fantasievoll die beiden miteinander korrespondieren Bilder "True World Art" und " "Not of this World" aus dem Jahr 2011.

Anhand der Arbeiten eines Künstlers bietet die Ausstellung einen Blick auf das, was sich in Peking tut und was von dort zu erwarten ist. Die Ausstellung ist vielfältig und interessant. Sie eröffnet Einblicke in eine fremde und doch so nahe Welt, auf die sich der Betrachter gern einlässt und mehr davon zu sehen wünscht.

Bis zum 15. Oktober 2011 in der Barbara Gross Galerie, Theresienstraße 56, 1. Hof, in München, Di-Fr 11-18.30 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Der Eintritt ist frei.

 

Veröffentlicht am: 01.10.2011

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