Diana Iljine, die Chefin der Internationalen Münchner Filmwochen: Vom Ticketschalter in die Chefetage
Die 47-jährige Diana Iljine hat die ersten 100 Tage im Amt als neue Geschäftsführerin der Internationalen Münchner Filmwochen GmbH hinter sich. Am vergangenen Samstag eröffnete die gebürtige Frankfurterin in der neuen Münchner Filmhochschule das Internationale Festival der Filmhochschulen. Der Kulturvollzug hat mit ihr gesprochen.
Mit dem 31. Internationalen Filmfest der Filmhochschulen haben Sie ihren Einstand als Chefin der Internationalen Münchner Filmwochen gegeben. Im Sommer nächsten Jahres folgt das Münchner Jubiläums-Filmfest zum 30-jährigen Bestehen. Beide Festivals wurden in der Ära Ihres Vorgängers Andreas Ströhl zeitlich vorneinander entzerrt, was den jungen Filmemachern die Möglichkeit bietet, vom breiten Publikum besser wahrgenommen zu werden. Welches der beiden Festivals lässt Ihr Herz höher schlagen und worin unterscheiden sie sich?
Das sind zwei ganz unterschiedliche Sachen, die jeweils für sich stehen. Beide Festivals kenne ich schon seit meiner Studentenzeit. Ich bin mit beiden Festivals groß geworden. Man kann auch sagen: ich bin damit sozialisiert worden. Als Studentin habe ich auf dem Münchner Filmfest gejobbt und mich von der Kartenabreißerin und Kinokarten-Verkäuferin zur Gästebetreuerin hoch gearbeitet. Zuletzt habe ich die Stars betreut, beispielsweise Audrey Hepburn, Bertrand Tavernier, Roger Corman, Tom DiCillo und viele andere. Beim Studenten-Filmfestival wird weniger Brimborium gemacht und man kommt den Filmemachern dort sehr viel näher. Auch beim Münchner Filmfest versuchen wir, diesen direkten Kontakt zwischen Publikum und Regisseuren herzustellen.
Dieses Jahr gab es gleich drei Eröffnungsfilme, die in den neuen Räumen der HFF München (Hochschule für Film und Fernsehen München, Anm. d. Red.) gezeigt wurden: Eine Filmkomödie aus Serbien, eine Animation eines Filmemachers aus Israel und ein Spielfilm von der HFF München. Wieso gleich drei Filme?
Der Hochschule und uns war daran gelegen, international zu eröffnen. Wir haben ja eine ganz fantastische Vorauswahl-Jury gehabt, die uns eine Auswahl möglicher Eröffnungsfilme gegeben hat, die kurzweilig und unterhaltsam sind.
Wie gefällt Ihnen persönlich der Neubau der HFF München?
Mir gefällt der Bau sehr gut. Der Bau erinnert an eine große Kunsthalle und passt hervorragend in das Kunstareal. Ganz viel Beton, und den kann man auch sehen. Natürlich muss das Gebäude auch mit Leben erfüllt werden.
Sie verfolgen seit drei Jahrzehnten das Filmschaffen der Studenten. In welche Richtung haben sich die Filme in Hinblick auf Inhalt und Form verändert?
Insgesamt ist das Niveau gestiegen. Früher waren die Filme technisch weniger ausgereift als heute. Heute sind die Filmhochschüler unter starkem Konkurrenzdruck. Es gibt sehr viele Filmhochschulen, aus denen sehr viele talentierte Filmemacher heraus kommen. Und die müssen sich mit den Fragen beschäftigen: Warum erzählst du das? Möchte das jemand wissen? Und was ist das universelle Thema dahinter, das den Zuschauer berührt?
Das diesjährige Motto des Festivals lautet: "Filmemacher haften für Ihr Werk" und ist auf Plakaten, T-Shirts und Stofftaschen ebenso zu lesen wie der QR-code, mit dem man direkt per Handykamera die Webseite des Filmfestivals anklicken kann. In welche Richtung zielt denn diese Botschaft?
Das ist eine Idee, die ursprünglich aus dem Baustellengedanken angesichts der neuen Hochschule entstanden ist. Angesprochen sind die Filmemacher, die oft zum ersten Mal ihren Film einem internationalen Publikum präsentieren. Das ist sehr aufregend für sie. Damit haften sie für ihr Werk wie Eltern für ihre Kinder. Dass wir den QR-Code mitgedruckt haben, das gehört ganz einfach zu einem modernen Festival.
Es fällt in diesem Jahr auf, dass es verhältnismäßig viele Komödien gibt. Zeichnet sich hier ein neuer Trend ab oder liegt es an der Auswahl der Filme?
Dieses Jahr ist uns aufgefallen, dass es viele gut gemachte Komödien gibt. Das heißt: die Filmemacher gehen auf lustige Art auch an ernste Themen heran. Ob man hier gleich von Trend sprechen kann, weiß ich nicht. Es gibt sehr viele Themen, die mit Einsamkeit, Liebe oder - wie der Eröffnungsfilm "Stevan M. Zivkovic" von Vladimir Tagic gezeigt hat - mit der Überflügelung der Realität durch die mediale Welt zu tun haben und die mit sehr viel Humor angegangen werden.
Verraten Sie uns Ihre persönlichen Favouriten?
Es gibt viele gute Filme. Bespielsweise die Dokumentation "Guanape Sur" von dem Australier János Richter, die unter sehr schwierigen Arbeitsbedingungen vor der Küste Perus gedreht wurde. Oder der israelische Beitrag "Sister of mine" von Oshrat Meirovitch über das Thema Ehe bei orthodoxen Juden. Unbedingt anschauen sollte man sich auch die romantische Liebesstory "God of Love" von Luke Matheny und "Flamingo Pride", eine Animation, die zeigt, dass wir Hollywood in nichts nachstehen. Die Wahl der Favouriten überlasse ich der Jury.
Sie sind studierte Kommunikationswissenschaftlerin, waren tätig als Medienberaterin und Filmeinkäuferuin beim BR, bei RTL 2, Premiere und Telepool und haben noch ein berufsbegleitendes Wirtschaftsstudium absolviert. Wie wird sich Ihr Branchenwissen auf Ihr neues Tätigkeitsfeld auswirken?
Ich habe einerseits einige Erfahrung, was die Verhandlungspraxis betrifft. Andererseits habe ich auch ein Buch über Filmproduktion geschrieben. Und ich denke, dass Verhandlungsgeschick und auch eine gute Kenntnis der internationalen Szene hier sehr förderlich sind, um gute Filme auf Festivals zu bekommen.
Worin sehen Sie Ihre größte berufliche Herausforderung?
Es gibt in Zusammenarbeit mit unseren Gesellschaftern ein gemeinsames Bemühen, München als Filmstadt verstärkt auf die europäische Karte, wenn nicht sogar auf die Weltkarte zu setzen. Allerdings spielen hier auch wirtschaftliche Überlegungen eine große Rolle. Zu meiner Aufgabe gehört beispielsweise auch, Sponsorenkonzepte zu entwickeln. In München ein großes Festival zu etablieren, das ist für mich eine große Herausforderung, die ich mit viel Elan angehe.
Angelika Irgens-Defregger