Europapremiere in Galerie Micheko: Katsumi Hayakawa mit japanischen Papierarbeiten über das Nichts
In der Ausstellung "Paper Works: New Horizons" zeigt die Micheko Galerie in München erstmals in Europa Papierarbeiten des japanischen Künstlers Katsumi Hayakawa. Wer dem Titel folgt, erliegt einer optischen Täuschung.
Wohnsilos, Straßenschluchten, Gleisanlagen - oder doch Schaltkreise auf Mikrochips? Es sind filigrane Papierkonstruktionen aus Kuben und Würfeln, die auf Aquarellpapier zu streng geometrischen Landschaften aufgebracht sind. Dicht gedrängt stehen die Schächtelchen gegeneinander, aneinander oder sind durch mit Wort-oder Zeilenfragmenten bedruckte Leerflächen durchbrochen. Ein Symbol womöglich für unsere entindividualisierten Metropolen, deren Anonymität den Einzelnen verschlingt. Das Motiv prägt die jüngere bildende Kunst in Japan.
Hayakawa, 1970 geboren, kommt von der Malerei. Schon auf dem Gebiet bevorzugte er geometrische Formen, die er zu "virtuellen Abstraktionen" auflöste. Vor etwa drei Jahren begann ihm die plane Fläche von Leinwand und Aquarellpapier nicht mehr zu genügen, berichtet er im Gespräch mit dem Kulturvollzug. "Ich wollte weg von der Malerei, weiter hinein in den Raum zu Plastik und Skulptur". Katsumi Hayakawa, der auch ein Jahr in New York gelebt hat und dort unter anderem bei Garson Fine Art und in der bekannten Daniel Silverstein Gallery ausgestellt hat, lebt und arbeitet heute in Tokyo.
Die in der Ausstellung gezeigten Arbeiten bieten breiten Raum zur Interpretation. Stadtlandschaften einerseits, deren Kulisse die "Abwesenheit der Existenz, die Abwesenheit des Nichts, die Abwesenheit der Abwesenheit der Abwesenheit" widergibt, wie der Künstler meint. Letzteres jedoch führt wiederum zu einem wie auch immer gearteten Dasein, das sich in den Arbeiten statisch monochrom oder auch glitzernd und spiegelnd wiederfindet. Andererseits ergeben sich Assoziationen zu Computerplatinen, Mikrochips mit ihren ineinander verwobenen Schaltkreisen und Synopsen - Symbol für die das menschliche Leben verschlingende, allgegenwärtige Technologisierung.
In der Ausstellung werden zwei Aquarelle des Künstlers aus dem Jahr 2006 gezeigt, die den Anfang seines neuen Denkens darstellen und sich mit der Isolation, der Verlassenheit in ("Blue dots") und außerhalb ("Lost and found") der Masse befassen. Die Hängung ist didaktisch nicht geschickt, da der Betrachter sie erst gegen Ende seines Rundgangs durch die Ausstellung zu Gesicht bekommt und sie daher angesichts des zuvor gesehenen als Rückschritt empfinden muss, wo sie doch in Wirklichkeit den Beginn einer neuen künstlerischen Entwicklung Hayakawas zeigen.
Die übrigen Arbeiten sind alle 2011 speziell für die Münchner Ausstellung entstanden. Sie kommen hell und durchaus heiter daher. Die vorherrschende Farbe Weiß, an sich eine Nicht-Farbe, wird durch Ränder in blau und rot oder durch schrankenartig weiß-rot angedeutete Stützträger unterbrochen. Auch Glitzerstaub oder kleine Quadrate aus Spiegelbruch lockern auf. Die kleine Arbeit "Reflection 5" besteht nur aus solchen Spiegelsplittern und führt zu einem optischen Chaos an Lichtreflexen.
Einiges von dem buddhistischen Grundsatz, wonach alles im Universum miteinander verbunden ist, ist erkennbar, auch wenn das in Enge, Isolation und Verlassenheit dargestellt wird. Was man visuell und intellektuell allerdings nicht erkennt, sind neue Horizonte. Zu sehr sind die Arbeiten in ihrer zuweilen tristen Statik verhaftet, als dass sie Auswege oder Zukunft zeigen könnten. Der Titel der Ausstellung täuscht.
Bis zum 28. Januar 2012 in der Micheko Galerie, Theresienstr. 18 in München, Di-Fr. 15-20 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Eintritt frei.