Gastrokritik zum Harlachinger Jagdschlössl: Es ist fluffig. Aber nicht fluffigst

von Michael Grill

Schon von außen merkt man, dass sich hier gewaltig was verändert hat. Foto: gr.

Ein neues Lokal im Münchner Süden aus der Hofbräu-Dynastie, aber mit einer langen Vorgeschichte. Hier ist München noch nicht Grünwald, aber auch schon ganz lange nicht mehr Giesing. So ist es nicht ganz einfach, das Jagdschlössl zu positionieren. Denn die Ansprüche sind bereits groß in dieser Gegend; die Chancen für eine noch etwas mehr als nur sehr gute Küche ebenso. Doch man darf nicht abheben - eine schwierige Gratwanderung.

Doch zunächst wollen wir ein bisschen Ehrenrettung betreiben: An dieser Kreuzung kurz vor dem südlichen Stadtrand, wo nun das Jagdschlössl millionenteuer renoviert vor sich hin glänzt, war bis vor gar nicht so langer Zeit das Santorini. Ein heimeliger Grieche, zu dem auch schon mal Patienten im Morgenmantel aus dem nahen Krankenhaus herüberkamen, und bei dem eine Wand voller „Marienhof“-Autogramme hing. Das Essen und die Welt waren dort aber so sehr in Ordnung, dass es schade ist, wenn der Laden nun rückblickend immer wieder als Kaschemme dargestellt wird.

Tempora mutantur, wie man in Harlaching sagt. Das Schlössel ist der Hofbräu-Steinberg-Dynastie angegliedert. Peter Beller, einer der Wirte, empfängt Gäste am Eingang mit einem echten Strahlelächeln. Dann darf man staunen: Der Altbau (es gibt auch noch einen großen neuen Teil) ist nicht mehr wiederzuerkennen. Selten wurde so stilsicher ein altes Wirtshaus neu erfunden: das massive Holz in blaugrün, die Accessoires durchaus mit Mut zum Geschmacksrisiko (Holzhirsche auf dem Fensterbrett, Kamin-Kachel mit HB-Logo). Die Karte ist nicht zu groß und nicht zu klein, der Service bleibt den ganzen Abend über sehr angenehm. Man spürt: Hier sind auf allen Ebenen Profis am Werk.

Also auf, die Latte liegt hoch. Der Suppentopf (3.90) ist heute eine Gemüsebrühe mit Ente – fein würzig mit einer Sherry-Note. Das Geräucherte vom heimischen Hirsch (9.80) bietet tief rotes, feines Fleisch; mit ganz mildem jungen Meerrettich, einem Gläschen Antipasti und Parmesan-Spänen ist das ein Volltreffer in Sachen Harmonie.

Ein Wort zum Wein: Der Pfälzer Kabinett-Riesling ist, Entschuldigung, seinen Preis (5,40) nicht wert, ein geschmacklich flacher Alkoholträger. Lieber bei „weiß“ den Burgenländer Welschriesling nehmen (5,20 laut Karte, ominöserweise 5,40 auf der Rechnung), der hat klare Fruchtnoten und einen eigenen Charakter. Bei „rot“ lässt sich über den niederösterreicher Zweigelt (5.80) sagen, dass er auf harmonische Weise Holzfasston und Fruchtigkeit zusammenführt.

Jetzt aber ran an die großen Fleischtöpfe. Die Lagreiner Lammstelze (15.50) fordert durch einen sehr starken Eigengeschmack heraus. Die Qualität des Fleisches ist wechselhaft, so auch beim Spanferkel-Dreier (12.80). Herausragend sind die dort anliegenden Kräuterspeck-Knödel: Wunder der Weichheit, Highlight der Herzhaftigkeit...

Bleiben wir streng: Das „Weissbieramisu“ (5.90) hat eine herrliche Konsistenz, doch beim Geschmack wäre zwischen Weingeist auf der einen und Süße auf der anderen Seite schon noch Platz für eine dritte Note. Und der „Schokobatzda“ (weiße Mousse, 5,50) ist fluffig. Aber eben nicht fluffigst. Andererseits: Für die Nachspeisen werden sogar unterschiedliche Minzsorten verwendet, soviel Sorge ums Detail kann man nur loben.

Also, kein Heimweh mehr nach Griechenland in Harlaching? Das Schlössl ist gut, manchmal sogar sehr gut. Aber da wir in dieser Gegend Ansprüche haben, sagen wir: Da bleibt noch ein bisserl Luft nach oben.

Harlachinger Jagdschlössl: Geiselgasteigstraße 153, Mo – Fr 10 bis 24, Sa, So, Feiertag 9 bis 24 Uhr, Telefon 3090676-0, Infos im Web unter www.harlachinger-jagdschloessl.de

 

Veröffentlicht am: 28.11.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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