Dem Münchner Zeichner Heinz Birg zum 70.: Eine Retrospektive erzählt von Nimmerendern, Triebwerkstätern und Rauten an pikanten Stellen
Der Münchner Architekt und Zeichner Heinz Birg ist 70 geworden. Aus diesem Anlass widmet ihm die Galerie Truk Tchechtarow eine bunt-böse Retrospektive mit Arbeiten aus fünf Jahrzenhnten.
Schwarz-gelb dürfte er sich geärgert haben, der Franz Josef Strauß, angesichts der Karikatur, die seinen Kopf mit feist-überheblichem Lachen in den Farben rot und grün zeigt. Die Mitglieder der lange Zeit einzigen Regierungspartei in Bayern hat der Karikaturist besonders gern auf sein zeichnerisches Korn genommen. Auch mit Geweih als "Nimmerender" macht sich der Landesvater nicht schlecht. Peter Gauweiler, zu seiner Zeit erst als Münchner Kreisverwaltungsreferent und dann als bayerischer Innenstaatssekretär besonders forsch, wird mit läppischem Trachtenbändchen am Hemdkragen und auf den Kopf geschnalltem Blaulicht dargestellt. Die Scheuklappen an den Riemen dürfen nicht fehlen. "Blaugeiler" ist die Zeichnung von 1988 betitelt. Und Stoiber wächst aus dem rechten Zeigefinger eine Schreibfeder, die er sich in die Stirn bohrt: "Schreibwüterich" heißt die Karikatur aus dem Jahr 1987. Dass der Aufstieg in Bayern an der hinterwärtigen Körperöffnung des großen Vorsitzenden nicht vorbei führte, sieht man auf dem Bild "Bayerische Karriereleiter mit vorgesetzter Schikane". Ein Schelm, wer hier lesen möchte, woran die Leiter lehnt.
Birg wurde vor allem durch seine satirischen Architektur-Zeichnungen in anspruchsvoller Schraffur bekannt, in denen er die baulichen Sünden in den Städten und die Verschandelungen von idyllischen Naturlandschaften geißelt. St. Batholomä am Königssee wird erdrückt durch an den Fels geklatschte Touristenbauten auf der Zeichnung "FreizeitparkKönigssee", die gigantomanischen Hochbauten der Städte prangert die Zeichnung"Kampf der Giganten" an ; die Zeichnung gipfelt darin, dass die Bürotürme der üblichen Verdächtigen weit überragt werden durch ein Hochhaus, auf dessen Spitze die Leuchtschrift "Milch Eier Käse" prangt. Besonders intensiv hat er sich mit dem überdimensionierten Neubau der Bayerischen Staatskanzlei auseinandergesetzt. Zwischen 1984 und 1986 entsteht der Zyklus "Kuppel auf Reisen", in dem der Karikaturist den Mittelteil des ehemaligen Armeemuseums, der zur Staatskanzlei werden sollte,mal auf den Olympiaberg versetzt, zu dem ein Kreuzweg hinauf führt, mal auf den Königsplatz pflanzt oder in das Schloss Nymphenburg integriert. Auch eine Moschee wäre denkbar bei "Da ruft Edmund der Muezzin". Seinen Kampf in der Bürgerinitiative "Rettet den Hofgarten" hat Birgmit zeichnerischen Mtteln vehement fortgesetzt. Satire darf das.
Auch die Bayerntümelei karikiert Birg, der schon 1986 mit der Löwenpfote der Stadt München ausgezeichnet wurde, gern. "Feiner Strichloden mit doppelter Quetschfalte" zeigt unter dem Umhang aus dem bevorzugten Trachtenstoff das entblößte weibliche Gesäß. "Möse und Raute" gibt breitbeinig-vulgär - natürlich - die Raute wieder und führt die städtische Landhausmode, die so gern als sexy-trachtig verkauft wird, vor. Das sich das bis heute nicht geändert hat, lässt sich tagtäglich in einschlägigen "Traditionswirtschaften" beispielsweise an der Leopoldstraße beobachten.
Zu den Verursachern der Umweltschäden, die Birg auf brutale Weise schon 1988 im Bild "Triebwerkstäter" aufzeigt, bleibt die frühe Erkenntnis "Das Schwein ist der Mensch".
Reichhaltig und gallig ist das alles. Auch die Bilder, die vor 25 Jahren entstanden sind, haben an Aktualität nicht verloren; eine gewisse Kenntnis der jüngeren deutschen und bayerischen Geschichte und Mentaltät kann allerdings nicht schaden.
Wem es in diesen Tagen allzu staad zu werden droht, derist bei diesem Kontrastprogramm grad richtig aufgehoben.
Bis zum 8. Januar 2012 in der Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauserstraße 16 B in München, Mi-Fr 17-22 Uhr, Sa u. So 14-19 Uhr. Freier Eintritt. Heiligabend und an den Weihnachtstagen ist die Galerie geschlossen.