Die Würde des Menschen
Die Fotografin Dana Gluckstein legt zum 50. Jahrestag von Amnesty International mit "Dignity" einen eindrucksvollen Bildband mit Aufnahmen indigener Menschen aus aller Welt vor.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie ist zu achten und zu schützen" (Artikel 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union).
"Die Würde des Menschen ist unantastbar" (Artikel 1 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland).
Dies sind im europäischen Rechtsraum gesicherte, durch Gesetze konkretisierte, vor den nationalen Gerichten und dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte einklagbare Ansprüche. Sie stellen die manifeste Grundlage des Miteinanders der Menschen untereinander dar. Genauso wie die des Staates gegenüber seinen Bürgern, die ihn tragen.
In vielen Teilen der Welt sieht das jedoch immer noch anders aus.
Zwar bestimmt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (AEM) der Generalversammlung der Vereinten Nationen vom 10. Dezember 1948, dass, "da die Anerkennung der angeborenen Würde und der gleichen und unveräußerlichen Rechte aller Mitglieder der Gemeinschaft der Menschen die Grundlage von Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden in der Welt bildet" (Präambel), "alle Menschen ..... frei und gleich an Würde und Rechten geboren" sind, "mit Vernunft und Gewissen begabt und ... einander im Geiste der Brüderlichkeit begegnen" sollen (Artikel 1 AEM).
Die Erklärung gilt zwar völkerrechtlich als "human standard", sie ist gleichwohl unverbindlich und begründet keine Rechtsansprüche.
Verletzungen der Menschenwürde, der grundlegenden Menschenrechte, sind an der Tagesordnung, ob in China, Birma, vielen Staaten des afrikanischen Kontinents, Staaten der ehemaligen Sowjetunion, aber auch in den Vereinigten Staaten von Amerika, etwa beim Umgang mit den Indianerstämmen. Die Beispiele der Völker, die auch heute noch hart um ihre Rechte, ihre Kultur und vor allem um ihre Würde kämpfen müssen, sind zahllos.
Besonders stark betroffen sind immer noch die Ureinwohner der jeweiligen Staaten. Etwa 370 Millionen Indigene leben auf der Erde, meist am Rand ihrer Gesellschaften. "Bevor man sie Indigene nannte, hießen sie Ureinwohner oder Naturvölker oder auch einfach: die Wilden. Es sind die vielen, die schon da waren, als die Eroberer kamen..., und die wenigen, die die Eroberung überlebten. Es sind die, die das Nachsehen haben, wenn sich Mehrheitsethnien als Naturvolk definieren. Oder die, deren Anderssein ein Problem aufwirft, wenn in ihrem Land Öl gefunden wird", schreibt Monika Lüke, die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland. Auch die Erklärung der Vereinten Nationen über die Rechte der indigenen Völker vom 13. September 2007, sicherlich ein Teilerfolg, hat wenig bewirkt. Sie bindet völkerrechtlich ebenfalls nicht.
Amnesty International, 1961 in London gegründet, nimmt sich auch dieser Minderheiten im Kampf um ihre Rechte, um ihre Menschenwürde in besonderem Maße an.
Zum 50. Jahrestag der Organisation legt die Fotografin Dana Gluckstein nun den Bildband "Dignity, Die Würde des Menschen" mit Aufnahmen indigener Menschen aus aller Welt vor.
Die preisgekrönte Fotografin, die mit ihrer Familie in Los Angeles lebt, hat im Lauf ihrer Karriere zahlreiche prominente Persönlichkeiten wie Nelson Mandela, Michail Gorbatschow, Muhammad Ali und Barbara Streisand portraitiert. Ihre Werke sind unter anderem im Los Angeles County Museum of Art und dem Santa Barbara Museum of Art ausgestellt.
Und doch hat die Arbeit mit den Ureinwohnern dieser Welt immer einen Schwerpunkt des Schaffens von Dana Gluckstein dargestellt - Ausdruck einer besonderen Neigung gerade im Umgang mit diesen Menschen. Ganz unvoreingenommen und ohne Berührungsängste geht die Fotografin auf die Menschen zu und schafft in ihren Bildern eine einzigartige Nähe zwischen Kamera und Modell. Besonders eindrucksvoll zeigen die Aufnahmen die Kraft, den Stolz und die Würde dieser Menschen. Neben der althergebrachten Kultur der einzelnen Völker wird auch der Eintritt in die Moderne vermittelt, der zuweilen erzwungen scheint. Eindrucksvolle Portraits von Menschen in ihren jeweiligen Welten zeigt der Bildband: in ihre Traditionen eingebunden wie die Tänzerinnen und Tänzer auf Bali oder in Bhutan, scheinbar eingetaucht, erfasst von der Moderne wie die Jungen und Männer der Herero aus Namibia.
Die indigenen Völker "führen uns den ersten und wichtigsten Grundsatz der menschlichen Existenz vor Augen: wir sind alle in ein feinmaschiges Netz wechselseitiger Abhängigkeiten von unseren Mitmenschen und dem Rest der Schöpfung eingebunden. In Afrika nennt man diese Philosphie der Interdependenz ubuntu, was Menschlichkeit, Gemeinsinn oder Nächstenliebe bedeutet", schreibt der südafrikanische Erzbischof und Friedensnobelpreisträger Desmund Tutu im Vorwort zu dem Bildband. Und weiter: "Die Arbeit von Dana Gluckstein verkörpert die ubuntu-Philsosophie". Die Bilder zeigen die Menschen nicht nur in ihrer physischen Form, sondern sie transportieren "auch die Seele, deren Licht uns erhellt".
Das Buch ist ein kritischer Aufruf der Fotografin Dana Gluckstein, endlich zu handeln und die indigenen Völker zu respektieren und zu unterstützen. Und nicht nur das: Es ist auch ein schöner, berührender und sorgfältig aufbereiteter Bildband - und daher uneingeschränkt zu empfehlen.
"Dignity, Die Würde des Menschen", Fotografien von Dana Gluckstein mit einem Vorwort von Desmond Tutu und einer Einleitung von Oren R. Lyons, erschienen bei terra magica, 34,95 Euro. Der Bildband wird am 17. November 2010, 18 Uhr, im Rahmen der Münchner Bücherschau in der Black Box im Gasteig vorgestellt. Eine Ausstellung von Originalexponaten ist ab dem 5. Dezember 2010 in der Münchner Galerie Ruetz, Gabelsbergerstr. 7, zu sehen.