"Die Artillerie" und ihre Comics: Große Unterhaltungskunst bei Truk Tschechtarow
In der Galerie Truk Tschechtarow zeigt die Ateliergemeinschaft "Die Artillerie" Arbeiten zwischen Kunst und Dekoration. Fragen bleiben offen.
Osaka Best würde auch als abgehalfteter Anwalt durchgehen in seinem dunklen Anzug, der Kravattenknoten auf Höhe des Brustbeins, die selbstgedrehte Fluppe im Mundwinkel, Pflaster über dem rechten Auge. Aber er ist einer der besten DJs der Stadt. Jedenfalls in Uli Oesterles Comic-Roman-Trilogie "Hector Umbre", die in München spielt und den Liebfrauendom zur Event-Location macht. Er, Josef, Hector und Frantisek sind die Helden, deren Portraits in der Ausstellung zu sehen sind. Klare Linien und kräftige Farben kennzeichnen die ironischen, humorvollen Bilder.
Hector Umbre, der Titelheld, kämpft gegen die "Neuralgische Infiltrationsfront", die sich Osaka und seiner Musik bemächtigen will, was nur Hector verhindern kann. Klingt nach Blödsinn? Ist es und soll es auch sein. Immerhin schafft es die Figur jetzt auf die Bühne und ist vom 26. bis 28. Januar 2012 in den Kammerspielen zu bestaunen. Zum Ausgleich liefert der Künstler Illustrationen zu einem Puffbesuch oder einem Quickie auf den Gang, entstanden für den deutschen Playboy.
Es gibt sie immer noch, diese etwas abstruse Unterscheidung zwischen ernster Kunst, die Bedeutendes mitzuteilen hat, und der als Gebrauchsgrafik bezeichneten U-Kunst, die dekoriert und unterhält. Da steht Erbauung gegen Spaß. Tatsächlich trägt diese Differenzierung heute schon angesichts der Reizüberflutung mit Bildern nicht mehr. Das Unterhaltende, Populäre trifft unter Marken wie "Street Art" oder "Urban Art" auf immer mehr Interesse und hat längst Einzug gehalten in die Museen.
Die Ateliergemeinschaft "Die Artillerie", 1995 in München gegründet und seit 2008 in Schwabing beheimatet, besteht aus neun Grafikern und Illustratoren, die für nationale und internationale Werbeagenturen, Verlage, Filmproduktionen und Animationsstudios arbeiten. Auch wenn die Mitglieder, die vielfach ausgezeichnet sind, selbständig arbeiten, ist die Gruppe für sich längst eine Institution.
Florian Migutsch lässt den im Garkessel sitzenden Andy Warhol von mit Löffel, Messer und Gabel bewaffneten Campell-Tomaten-Dosen umtanzen wie Kanibalen um das Lagerfeuer. Triumph der Geister, die er rief. Seine großformatige Karikatur "Mahlzeit" ist eine in ihrer Spiegelhaftigkeit verstörende Charakterisierung des Wirtshaus- oder Restaurantgastes, wie er sich schlürfend, schlingend, saufend und gröhlend enthemmt daneben benimmt.
Wesentliche Teile der Ausstellung widmen sich dem Comic und der Fantasy. Das ist für die U-Kunst ein dankbares Feld. Von Thomas von Kummant sind Konzeptionen zu Heavy Metal III-The Ultimate Game zu sehen, auch Entwürfe für Hintergründe oder Figur-Studien für den Film "Hexe Lilli 2 - Die Reise nach Mandola". Benjamin von Eckartsberg zeigt seine Illustrationen zu "Hohlbeins historische Welten", Fantasy-Romane vor historischem Hintergrund oder der Comic-Reihe "Chronik der Unsterblichen".
In der Konzentration auf die phantastische Welt der Zeichnung liegt ein Manko der Ausstellung, weil der Aspekt des Künstlerischen in der Gebrauchsgrafik vernachlässigt wird, wie er in der Plakatkunst - hierzu sind nur vier Arbeiten von Markus Friemann zu sehen - offenbar wird.
Immerhin: die Schau bietet ein buntes, unterhaltsames Gemisch, das den Betrachter lachen, gruseln, nachdenklich macht - oder in Welten entführt, die nicht von dieser Welt sind. Ach ja: Kunst ist das schon. Große sogar.
Bis zum 12. Februar 2012 in der Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauserstr. 16R, München, Mi-Fr 17-22 Uhr, Sa, So 14-19 Uhr. Und mit der Einhaltung ihrer Öffnungszeiten kriegt die Galerie das irgendwann auch noch hin.