Holzschnitte von Kenichi Yokono erstmals in Deutschland: Zwischen Manga und Horror-Pop
Er ist ein Punk mit traditionellen Werten. Die Micheko Galerie in München zeigt in der Ausstellung "Japan-Wonderland Explosion" die wundersamen Werke des Holzschnittkünstlers Kenichi Yokono. Und leider noch mehr.
Immer wieder Totenschädel. Hohnlachend hinter Stacheldraht in dem Werk "Comic Skull" von 2011, kombiniert mit Blasen, in denen andere, fast heitere Motive schweben, auf anderen Holzschnitten. Sogar der Teddybär verkommt zur Totenfratze. Überzogen mit blutroter Acrylfalbe, die mit weiß durchsetzt ist, komplettiert sich der Horrortrip. Aus einem Sneaker steigt ein Gespenst auf und verliert sich in Blumenmotiven und anderen Lieblichkeiten. Das "Sweet Home" (2012) wird von überbordender Natur verschlungen.
Der 40-jährige Kenichi Yokono wurde im japanischen Kanazawa geboren, wo er bis 1997 Kunst studierte. Er hatte zahlreiche Ausstellungen in Tokio, Los Angeles, Wien und Amsterdam, gewann 2005 den Asia Cultural Council Fellowship Award und in New York den Tom Eccles Prize. Er lebt und arbeitet in Tokio.
Seine Arbeiten verbinden die traditionelle Kunst japanischer Farbholzschnitte mit Elementen des Manga, dieser ebenfalls althergebrachten Form japanischer Comics, sowie der Pop Art. Das Fehlen von Licht und Schatteneffekten, die klaren, flüssigen Linien zeichnen Personen und Gegenstände in dieser Darstellungsform aus. Prägend ist nicht die naturgetreue Wiedergabe eines Motivs, sondern die Andeutung, sodass das Bild erst im Kopf des Betrachters entsteht. Das wandelt der Künstler ab, indem er gegenständliche Darstellungen in eine Vielzahl fantasievoller, auch abstrakter Beiwerke einbettet.
Irgendwannn kam Yokono darauf, dass die handgefertigten Holzschnitte, die als Prägestempel für die künstlerische Druck-Grafik dienen, eigenständige Kunstwerke sind. Mit dem Holzschnittdruck hatte er angefangen, weil es so einfach war. Die Werkzeuge dafür hatte er und damit konnte er gleich anfangen. Eine gewisse Bequemlichkeit kam dazu. "Um Farbe auf größere Stücke aufzubringen und die dann zu drucken, brauchte ich Assistenten und eine große Werkstatt. Das brachte mich darauf, den Holzschnitt als das endgültige Produkt zu sehen", erzählt der Künstler in einem Interview mit "Horror.com" von 2006.
In der Ausstellung sind daher überwiegend Holzschnitte zu sehen, Unikate allesamt, mit denen man auch Drucke anfertigen könnte. Bei "Spider Silk" und "Visionary" allerdings ginge das nicht. Auf die Holzschnitte hat Yokono räderlose Skateboards montiert und dadurch eine zweite Ebene geschaffen. Die Bilder setzen sich fließend nach unten fort. Auch einige Holzschnittdrucke, die für die Ausstellung gefertigt wurden, sind zu sehen.
Mit der Verwendung von Elementen des Manga, aber auch der Pop Art, lehnt sich der Künstler an diese Darstellungsformen an, ohne deren Süßlichkeit und Isolationismus zu übernehmen. Yokonos Arbeiten sind kritisch, ironisch, zuweilen brutal und böse. Das hat nichts zu tun mit "Hello Kitty" oder anderen dieser rehäugig-kitschigen, honigsüßen Manga- oder Anima-Figuren. Das macht die Arbeiten sehenswert. Die Langnase, der westliche Betrachter also, mag zunächst etwas fremdeln, findet sich aber sehr schnell ein in das, was Kenichi Yokono ausdrücken will.
Die Schmuckkünstlerinnen Mari Iwamoto und Akiko Kurihra (v.l.) vor "siluettes I u. II." von Kenichi Yokono (Foto: Achim Manthey)
Damit könnte es an sich genug sein. Aber leider ist die Galerie der Versuchung erlegen, die Arbeiten Yokonos mit der Präsentation von Autorenschmuck zweier japanischer Künstlerinnen zu verbinden. Warum nur, warum, fragt sich der Betrachter.
Kuratorisch ist das ein Fehlgriff, weil die Aussage, die sich aus Yokonos Werken ergibt, aufgeweicht wird. Das passt nicht zusammen und harmoniert nicht. Und es wird den beiden Künstlerinnen nicht gerecht. Mit "Little Sea Monster" zeigt Mari Iwamoto filigrane, sehr witzige Ohrgehänge, an denen sich allerlei Meeresgetier tummelt. Akiko Kurihara befasst sich mit der Altglasverwertung und präsentiert aus Glasflaschen geschnittenes Weinlaub in unglaublicher farblicher Vielfalt als Broschen. Die Arbeiten sind ebenso charmant wie ihre Urheberinnen, würden für sich allein stehen, korrespondieren mit Yokonos Arbeiten allerdings nicht. Weniger wäre hier mehr.
Bis zum 7. April 2012 in der Micheko Galerie, Theresienstraße 18 in München, Di-Fr 15-20 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Eintritt frei.