Inszenierte Landschaften: Arbeiten des amerikanischen Fotografen Chris Engman erstmals in Deutschland
In der Ausstellung "The Artist as an Explorer" zeigt die Münchner Galerie Clair zum ersten Mal in Deutschland Arbeiten von Chris Engman. Sie führen Auge und Hirn hinters Licht. Ist das Kunst oder was ist das?
Das ist natürlich auch eine Möglichkeit: Anstatt das aufgenommene Bild zu manipulieren, was in der digitalen Fotografie heute eine leichte Übung und daher gang und gäbe ist, greift Chris Enman in die Szenerie ein, bevor er sie abbildet. Und mit dieser Methode beeinflusst er zugleich den Betrachter, dessen Sicht und Gedanken in die Irre geführt werden.
Da steht eine Holzkonstruktion in der Wüste, die für sich allein belanglos, völlig uninteressant wäre. Erst der nach dem Sonnenstand kalkulierte Schattenwurf ergibt die Kontur eines Diarahmens, aus dem das Dia herausgefallen ist, das wiederum als zweiter Schatten im Sand liegt. Daliesk geradezu die in einigem Abstand platzierte Stehleiter. "Inverse Negative" ist das 2010 entstandene Foto betitelt. In einer Vorher-Nachher-Situation zeigt "Senescence" von 2010 Bauholz vor und nach der Bearbeitung, aufgestapelt, zusammengeschnürt. In einer Straße in irgendeiner Stadt stehen zwei Lastwagen am Straßenrand, beladen mit weiß gestrichenen Metallgerüsten, mit denen die Geometrie der einförmigen Gebäude entlang der Straße aufgenommen wird.
Chris Engman wird 1978 in Bellingham an der amerikanischen Pazifikküste geboren. Das Studium an der Western Washington University bricht er ab, tourt lieber ein Jahr lang mit dem Auto durch die Staaten, arbeitet als Fischer in Alaska und als Fotograf in New York, bevor er 2003 sein Studium doch noch abschließt. Er wird Mitglied in der selbstverwalteten SOIL Galery, bei der er erste Ausstellungen hat. Er lebt und arbeitet in Los Angeles. Nicht zuletzt seit Elton John einige seiner Bilder gekauft hat, gilt er als der kommende Star in der Szene junger Fotografen.
Es ist eine eigenartige Schau. Wo der Künstler einzuordnen ist, bleibt offen. Bildhauer, Skulpteur oder Objektkünstler ist er nicht, als Fotograf kann man ihn auch nicht wirklich sehen. Eine Mischform, ein "Skulptugraf", gäbe es diesen Begriff denn, könnte passen. Etwas verschwurbelt beschreibt Engman, was ihn antreibt: "Das zentrale Motiv meiner Arbeit ist das Menschliche, ich untersuche das grundlegenste Thema von allen: die unerklärliche Tatsache unserer Existenz, die unergründbare Empfindung von Zeit, und die trügerische wie unberechenbare Natur der Resalität. Sie führt uns unsere verzerrte Wahrnehmung vor Augen, den Graben zwischen dem, wie wir wahrnehmen und dem, wie wir denken, wahrzunehmen; wie wir denken und wie wir denken, das wir denken; schließlich die inkonsistente und gestaltete Natur des Gedächtnisses." Auch ein "Skulptusoph" also?
Die Ausstellung hat durchaus auch starke Momente. "The Audience" (2004) zeigt Stühle, die wie in einem Hörsaal emporsteigend an einem Hügel aufgebaut sind. "The Library" (2005) bildet Bücherregale auf einer Brache ab. Hier kann der Widerspruch zwischen dem, was man sieht und dem, was man zu sehen meint, die Diskrepanz also zwischen Fantasie und Realität, zwischen Optik und intellektueller Umsetzung deutlich werden. Vieles jedoch bleibt profan. Pyramiden von Ölfässern mit verschiedenfarbigen Böden werden in "Variation" (2010) in einer Vielzahl von Einzelbildern vor immer gleichem Hintergrund und seinen sich ändernden Lichtverhältnissen abgebildet und zu einem Gesamtkunstwerk zusammengefügt. Das ist nett, aber vordergründig. Ein Schutthaufen wird ein Mal vor einer Hügellandschaft, ein anderes Mal vor einer Industrieanlage aufgebaut, die Licht und Schattenbildungen erwischt Engman durchaus synchron.
Das ist gut anzuschauen, teilweise aber schlicht fad. Es fehlt die Nachhaltigkeit, die das Gezeigte zur Kunst erheben könnte. So ist es zwar mehr als Fast Food, bleibt von der Haute Cuisine aber noch weit entfernt.
Bis zum 25. Februar 2012 in der Galerie Clair, Franz-Joseph-Str. 10 in München, Mi-Sa 15-19 Uhr und nach Vereinbarung. Eintritt frei.