Kritik zu "Unendlicher Spaß"
David Foster Wallace am Volkstheater: Ausufernde Gesellschaftscollage mit Löchern
"Unendlicher Spaß" von David Foster Wallace gilt als eines der verwirrendsten Massive in der amerikanischen Literaturlandschaft. Am Volkstheater machte sich Bettina Bruinier auf die verwegene Expedition, dieses Text-Konvolut auf die Bühne zu bringen - und verirrte sich im Dickicht der Handlungsstränge und Bilder.
David Foster Wallace, der aus Ithaca, New York, stammende Professorensohn, war so etwas wie der Odysseus der amerikanischen Literatur: Sein halbes Leben lang auf der Suche, an den Schreibtisch zurückkehrend mit einer Bootsladung an Geschichten. 2008 setzte Wallace seinem Leben ein Ende. Sein größter Roman "Unendlicher Spaß" aber wird als sein Vermächtnis gelesen - eine Tour de Force durch die Abgründe Amerikas, eine beißende Medien- und Gesellschaftssatire, ein Absturzroman, ein Albtraum von Schachtelsätzen mit Fußnoten, weit über tausend Seiten stark, den Kritiker mit dem "Ulysses" von James Joyce verglichen haben. Es geht um Drogen, um Verblödung durch die Medien, Eltern, Kindesmissbrauch, Terrorismus und Sportstars. Der Originaltitel stammt aus Shakespeares "Hamlet": Totengräber präsentieren Hamlet den Schädel von Yorick, und Hamlet erinnert sich an den Spaßmacher aus seinen Kinderzeiten, "a fellow of infinite jest".
Nicht weniger verwegen als der Roman selbst darf der Versuch gelten, "Unendlicher Spaß" auf die Bühne zu bringen. Am Münchner Volkstheater hat's Bettina Bruinier gewagt - und verhebt sich an dem Mammut-Buch fast erwartungsgemäß. Denn die verwickelte Handlung der Originalvorlage ist nicht an einem Abend zu inszenieren: zu viele Handlungsstränge, zu viele Schauplätze und Personen, zu verstiegen die Geschichten.
Am Volkstheater konzentriert man sich auf drei Schwerpunkte: die Tennis-Akademie, die Familie Incadenza und die Entzugsklinik. Hal Incadenza lebt in der von seinem Vater gegründeten Tennis-Eliteakademie, wird aber vor lauter Leere und Leistungsdruck zum Drogensüchtigen. Sein Vater schafft es nicht mehr, eine Verbindung zu seiner Familie aufzubauen und bringt sich um. Kurz vor seinem Tode hat er allerdings einen Film gedreht, als letzten Versuch, mit Hal zu kommunizieren. "Unendlicher Spaß" lautet der Titel des Films, ein fatales Vermächtnis: Wer diesen Film anschaut, verblödet und kommt nicht mehr weg von der Glotze.
In manchen Szenen ahnt man, dass diese Volkstheater-Fassung das Zeug zum Kultstück haben könnte. Wie sich die Familie Incandenza befehdet, die Sitzungen in der Entzugsklinik, erst recht das schön choreographierte Training der jungen Tennisstars, mit einem sinnfreien und wirklich witzigen Ion-Tiriac-Gedächtnismonolog. Man sieht Talent und Können, etwa bei Xenia Tiling als depressive Mutter Incandenza oder bei Oliver Möller als Don Gately in der Suchtklinik. Doch die schönen Bilder fügen sich nicht zu einem Ganzen. Für Wallace-Kenner zu dünn, für die weit überwiegende Mehrheit derjenigen, die das Buch nicht gelesen haben, bei weitem zu wenig Information: In der Münchner Inszenierung klaffen Löcher, die weder die Darsteller mit ihrem Spiel noch die Zuschauer mit ihrer Vorstellungskraft füllen können. Der rote Faden fehlt, bei der Premiere wirkte die Inszenierung (noch) wie eine Collage. Eine gewisse Unfertigkeit, die dem Spaß trotz gelungener Szenen dann doch Grenzen setzte.