"Der einsame Weg" am Akademietheater
Schnitzler im Schnelldurchlauf: Atemloses Gewusel
Schnitzler geschnetzelt: Johanna Wehner dampft Arthur Schnitzlers Fünfakter "Der einsame Weg" am Akademietheater auf 60 Minuten voller Slapstick ein. Das ist ganz unterhaltsam, eine Frage jedoch lässt die junge Regisseurin offen: Was hat das gleich nochmal mit Schnitzler zu tun?
Da rüstet einer zur Ankunft oder - was angesichts der ursprünglichen Geschichte wahrscheinlicher ist - zum Gehen. Tischgestell, Kommoden, Schrank, Sessel und Sofa sind zu einem Einrichtungskonglomerat zusammengetürmt. Eine Wohnung im Keim oder die Erinnerung an ein Zuhause und mithin Symbol für den unbehausten Menschen (Bühne: Theresa Scheitzenhammer, Andreas Böhm und Markus Floßmann). Das passt soweit zu Schnitzlers einsamem Weg, der 1904 die Menschen einer dekadenten Zeit abbildete: Müde, verzweifelt, gefangen in Konventionen, in sich nicht zu Hause, auch in Gesellschaft einsam und zur Kommunikation nicht in der Lage. Hier ist jeder eine Insel.
Schnitzler schafft in seinem Drama viel Atmosphäre. Die Figuren bewegen sich bei ihm auf Gleisen, die immer wieder Ausweichspuren vorsehen: Züge, die aufeinanderzufahren und im letzten Moment doch präzise ausweichen. Halt und echte Nähe sind selten bei ihm.
Die Figuren tauschen mit vielen Worten wenig Information aus. Sie ergehen sich in Floskeln, eine ordentliche Begrüßung kann schon ein paar Minuten Lebenszeit kosten. Die gesellschaftliche Übereinkunft zu bewahren ist wichtiger als sich den Lebensfragen zu stellen. Davon gibt es bei Schnitzler einige: Verwantwortung (zum eigenen Kind), Loyalität, Lebensentwürfe, Bewährung des Mutes, Freiheit, finale Selbstbestimmung. Jede Figur ist bei Schnitzler vielschichtig und offen angelegt.
Bei Wehner reduziert sich dieses Panorama auf gut getimtes Gewusel. Immer wieder klettert da einer übers Mobiliar oder springt hinter einer Kommode wie ein Schachtelteufelchen hevor. Man redet lautstark und in grotesk seltsamer Betonung aneinander vorbei. Ein Treiben entfaltet sich, das irgendwo zwischen Monthy Pythons "Ministry of silly walks" und Action-Zirkus angesiedelt sein könnte. Vor allem bei James Newton als Wegrat wirkt das geschmeidig, präzis und urkomisch. Ein Gongschlag lässt die wie Eichhörnchen auf Speed umherzappelnden Akteure innehalten - ein Memento Mori im Jahrmarkt der Albernheiten. Nur selten lässt Wehner echte Momente der Ruhe einkehren, etwa wenn Johanna (Ines Hollinger) und Stephan von Sala (Patrick Nelessen) um das Thema ihrer Liebe kreiseln. Ein paar solche Brüche mehr hätten der letztlich atemlosen Inszenierung gut getan. Nach einer Stunde ist denn auch die Puste weg. Man kratzt sich als Zuschauer am Fin de siècle-Bart und fragt sich: Wie war das gleich nochmal mit Schnitzler?