„Papst klingt ganz schön, aber es ist eben doch nur ein Stellvertreter-Job“
[caption id="attachment_2986" align="alignright" width="225" caption="Großes Beil mit Preisträger Götz Frittrang Foto: passau-live.de"][/caption]Sechs Bewerber durften sich im Finale um das Passauer Scharfrichterbeil streiten. Gewonnen haben ein rasta-zöpfiger Liedermacher, eine glamouröse Transe und ein buckliges Monster...
Wann er das Scharfrichterhaus gegründet habe? 1977, sagt Edgar Liegl, Urvater der Passauer Kabarettszene. „Da bin ich geboren“, entfährt es dem Gewinner des Passauer Scharfrichterbeils. Ein Beispiel für die Überlebensfähigkeit von Kabarett. 1983 erfanden Liegl und sein Partner Walter Landshuter den Wettbewerb ums Passauer Scharfrichterbeil, lange der renommierteste Kabarett-Nachwuchspreis in Deutschlands. Die strengen Nachwuchs- Kriterien haben sich aufgeweicht, seit das „Hackl“, wie's die Passauer nennen, mit anderen Kabarettpreisen konkurrieren muss. Aber immer noch will man jenseits bereits arrivierter Künstler was entdecken.
Aus 80 Bewerbungen waren sechs Finalisten zur Entscheidung eingeladen. Nils Heinrich verzweifelte als gebürtiger Thüringer und Kartoffelfreund in seiner Wahlheimat Stuttgart an den schwäbischen Spätzle. Das österreichische Frauen-Duo Flüsterzweieck (Ulrike Haidacher und Antonia Stabinger) zeigte Originalität und viel Potenzial. Die ungarisch-slowakische Chanson-Sängerin Linda Konrad (mit Autor und Regisseur Martin Bechler am Flügel) bewies ihre Stimmgewalt mit Liedern einer slowakischen Klofrau.
Der fränkische Moderator Matthias Egersdörfer (Scharfrichterbeil-Gewinner 2007) verkündete mit gekonntem Missmut den Nürnberger El Mago Masin als dritten Preisträger: Der rasta-zöpfige Liedermacher (29) hängte sich das kleine Hackl an seine rote Jeans. Seine pseudonaiven Gitarren-Klampf-Songs über hochbegabte Streifenhörnchen, Tupperware-Parties und das Umfärben eines toten Fuchses in Hellblau sind hinterhältige Zeitgeist-Beschreibungen, die mit perfiden Wortspielen aus der scheinbaren Normalität heraus ins Absurde und Anarchische driften. Und er animiert charismatisch die Zuschauer zum Mitmachen.
Das Publikum, dessen Mehrheit in Passau als eine Jurystimme zählt, entschied diesmal genauso wie die Jury. Das mittelgroße Beil ging an Christine Prayon. Die Schauspiel-Absolventin der Bayerischen Theaterakademie verblüfft mit Mut zur Groteke und zur Hässlichkeit, sie hat Ähnlichkeit mit Miki Malör und Sissi Perlinger. Als glamouröse Transe demontiert sie den Diven-Mythos durch einen gar nicht glamourösen Strip bis auf die von einer Clownsnase ausgestopfte Schießer-Unterhose und legt sogar das Glasauge ab. Als Schwimmerin liest sie berührende Lyrik von Mario Barth, als Carla Bruni haucht sie elegant ein Lied samt Lachanfall für die Truppen in Afghanistan: „Ich singe für die Freizeit am Hindukusch.“ Schräg, eigenwillig, sehenswert.
Wie er per Zug das Hackebeil, das in keinen Koffer passt, nach Hause bringt, dafür hatte Gewinner Götz Frittrang schon eine Lösung: Um nicht als potenzieller Serienmörder zu wirken (zumal er gern im Parkhaus Frauen fotografiert), krümmt er sich zum buckligen Monster mit Fistelstimme. „Politisches Kabarett kann ich nicht“, bekennt er - und schaut statt dessen den Haustieren zu. Wo der Hund sein Herrchen schwanzumwedelt guckt die Katze nur desinteressiert und leckt das Pfötchen (Frittrang hat eine Katze!). Die ewigen Sorgen überfürsorglicher Müttern um ihre Söhne zeigt nebst einem Hosenkauf auch das Aufstöhnen von Mama Ratzinger: „Papst klingt ganz schön, aber es ist eben doch nur ein Stellvertreter-Job.“
Gabriella Lorenz