Auszeichnung für Münchner Tatort-Team
Mörderische Gleichberechtigung
Die Münchner Tatort-Kommissare bekommen den Ehrenpreis, die Nürnberger einen Heimatkrimi – doch die Franken fordern vehement einen eigenen „Tatort“
Eigentlich sind sie ja noch ein bisschen zu jung für so einen Ehrenpreis. Aber sie haben sie verdient – die Auszeichnung, die der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer am gestrigen Freitag im Rahmen des Bayerischen Fernsehpreises im Prinzregententheater Miroslav Nemec und Udo Wachtveitl überreicht hat. Denn kein anderer „Tatort“-Kommissar hat so viele Fälle gelöst wie die Münchner Ermittler. 61 Verbrechen haben sie als Ivo Batic und Franz Leitmayr in insgesamt 21 Jahren aufgeklärt – und dabei auch schon auf dem Münchner Oktoberfest, im Olympia-Dreh und sogar in Stadelheim ermittelt.
Während man sich in München über die hohe Auszeichnung freut, hält sich die Freude in Franken allerdings in Grenzen. Denn seit Jahren fordert man dort ein eigenes „Tatort“-Team. Ein Sit-in auf dem Marienplatz in München. Samt großer Verspeisung saurer Zipfel. Das ist nur eine der Ideen, mit denen die über 1000 Mitglieder starke Facebook- Gruppe „Für einen Nürnberger ,Tatort‘“ BR-Intendant Ulrich Wilhelm ein eigenes Krimi-Team aus Franken schmackhaft machen will.
Ob solch ein gewaltfreier Protest für mehr fränkische TV-Gewalt Erfolg hätte, ist zwar äußerst zweifelhaft. Schließlich hat der Chef des Bayerischen Rundfunks Forderungen nach einem Nürnberger Tatort immer wieder eine entschiedene Absage erteilt. Doch leiser werden die Stimmen, die seit Jahren einen zweiten „Tatort“-Standort in Bayern fordern, deshalb auch nicht. Denn es sind keineswegs nur spleenige Krimi-Fans im Internet, die Gleichberechtigung in Sachen Mord und Totschlag fordern. Längst ist das Thema ein Politikum - ähnlich wie die Streitigkeiten über das nicht von München nach Nürnberg ausgeliehene Dürer-Bild oder den Bau des Münchner Konzertsaals - befeuert die „Tatort“-Debatte die Animositäten zwischen den „arroganten Hauptstädtern“ und den „sich notorisch benachteiligt fühlenden“ Franken.
Inge Aures, BR-Rundfunkrätin und SPD-Landtagsabgeordnete aus Kulmbach, kämpft seit Langem für ein fränkisches Ermittler-Team in der ARD-Reihe – gerne auch mit markigen Sätzen: „Seit über 200 Jahren gehört Franken zu Bayern. Es ist endlich an der Zeit, dass Franken nicht wie Deppen hingestellt werden.“ Aures spielt damit auf eine Tatort-Folge aus dem Jahr 2003 an. Einmal nämlich durfte tatsächlich ein Nürnberger im BR-„Tatort „ermitteln. Und prompt war der Aufschrei groß: Die Franken zeigten sich empört über den pedantischen und trotteligen Aushilfspolizisten (Thomas Schmauser), der in Unterhosen Tai Chi praktizierte. Zu allem Übel überzogen ihn die Münchner Ermittler Batic und Leitmayr in der Folge „Der Prügelknabe“ auch noch mit jeder Menge Spott. Der Nürnberger Markus Söder – damals medienpolitischer Sprecher der Landtags-CSU – forderte gar „Wiedergutmachung“. Ein Nürnberger Tatort sollte nach seinem Willen Satisfaktion für die im Krimi zur Schau gestellte Frankenfeindlichkeit bringen.
Doch auch Söders Brief an BR-Fernsehdirektor Gerhard Fuchs brachte nichts – von einem zweiten bayerischen „Tatort“-Team wollte und will man im Sender nichts wissen. Finanzielle Gründe führt Intendant Wilhelm heute an. „Der BR hat seit 2009 eingefrorene Etats. In vielen Bereichen sind gleichzeitig die Kosten gestiegen“, heißt es auf Nachfrage. Wilhelm hat zwar Verständnis für den Wunsch vieler fränkischer Zuschauer, doch mehr als drei „Tatort“-Produktionen im Jahr könne man sich nicht leisten. Würde man diese wenigen Termine nun mit unterschiedlichen Kommissaren-Paaren bespielen, würde das beiden Teams schaden. „Das neue Ermittlerteam hätte kaum Chancen, sich zu etablieren“, sagt BR-Sprecher Christian Nitsche und ergänzt: „Der Sender pflegt zudem mit zwei Stücken pro Jahr die Marke Polizeiruf.“ Doch auch die „Polizeiruf“- Kommissare gehen in München auf Mörderjagd.
Das Argument, dass ein regelmäßiger „Tatort“ in Franken zu teuer wäre, lässt Rundfunkrätin Aures nicht gelten: „Das ist eine Frage, wie man Prioritäten setzt. Und wir Franken gehören schließlich auch zu Bayern.“ Zudem hätten andere ARD-Sender auch Teams in unterschiedlichen Städten. Der Hessische Rundfunk, deutlich kleiner als der BR, lässt beispielsweise in Frankfurt und Wiesbaden ermitteln. Und der Norddeutsche Rundfunk hat sogar drei Tatort-Städte im Programm: Hannover, Hamburg und Kiel. Ein Zuckerl hat Wilhelm für die Franken aber doch: 2015 soll in der Heimatkrimi-Reihe Nürnberg Schauplatz eines Verbrechens werden. Über Drehbuch und Besetzung wird in der BR-Redaktion für Reihen und Mehrteiler schon nachgedacht. „Das ist ein Schritt in die richtige Richtung“, sagt Aures. Aber ein Ersatz für einen fränkischen „Tatort“ sei das nicht. Und wie dieser Tage meist, wenn es um kulturelle Interessenkonflikte zwischen München und Nürnberg geht, kommt das ultimative Totschlagargument der Politiker aus der Region: „Für einen Konzertsaal in München gibt es Geld, aber für einen Tatort in Franken nicht.“ Natürlich würde der Konzertsaal nicht mit Gebührengeldern finanziert. Aber BR-Intendant Wilhelm soll bereits angekündigt haben, sein Haus werde für Miete und Erstbenutzungsrecht Vorauszahlungen leisten und die technische Ausstattung mitfinanzieren.
Wurde doch kein Tatort: "Milchgeld", ein Kluftingerkrimi, Szenenfoto (c) Bayer. Rundfunk/ARD Degeto/Hagen Keller
„Ein Nürnberger Tatort ist machbar“, sagt auch der fränkische CSU-Abgeordnete Kurt Eckstein – er ist ebenfalls Mitglied im BR-Rundfunkrat. Als Wirtschaftspolitiker sei er zwar grundsätzlich für Kosteneinsparungen, betont er. Aber eben nicht auf Kosten der Franken. Ein Film in der Heimatkrimi- Reihe, die mit einem Fall aus Würzburg 2008 startete, kostet übrigens nicht weniger als ein „Tatort“. Im Allgäu, in Niederbayern und im Voralpenland machte die Reihe schon Station. Der fünfte Krimi kommt im Herbst 2012, und dann wieder aus Franken. Auch diesmal ermittelt Thomas Schmauser, der als Kommissar Haller von Würzburg nach Bamberg zieht.
Diese Krimis hätten einen „stärkeren Heimatbezug als Tatort-Folgen im Ersten, deren Spielorte oft nicht im Vordergrund stehen“, betont BR-Sprecher Nitsche die Bedeutung der Reihe. Doch klar ist auch: Ein Krimi, der im BR läuft, erreicht weit weniger Zuschauer als ein Tatort im Ersten.
„Es ist noch nicht aller Tage Abend, da kann noch etwas passieren“, gibt sich Aures optimistisch. Und ihre Zuversicht ist möglicherweise nicht ganz unberechtigt. Schließlich gab es ja auch schon einmal BR-interne Überlegungen, aus dem Allgäu-Krimi mit Kommissar Kluftinger einen „Tatort“ zu machen. Auch wenn daraus am Ende nichts wurde, ins Erste hat es Kluftinger zumindest geschafft. Dort ermittelt er jetzt am Donnerstagabend.