Wald-Fotos in der Galerie f5,6
Allen Schandtaten der Menschen zum Trotz
Drei Fotografen waren im Wald unterwegs und entwickeln ganz unterschiedliche Positionen zu dem Thema. Eine kleine Ausstellung in München beweist, dass der Mythos bleibt.
So romantisch, wie oftmals besungen, kommt er nicht daher: der Wald. Geheimnisse, Sagen ranken sich um ihn, den es tatsächlich fast nicht mehr gibt. Oft sind es nur noch Forste, Gebilde aus künstlich aufgebauten Baumkulturen, die wirtschaftlichen Ertrag bringen müssen und weder Raum lassen für Gestrüpp und Unterholz oder ein gedankenverlorenes Dahinschreiten. Urwälder sind weltweit gefährdet, drohen mit all der Flora und Fauna, die sie beherbergen, auszusterben. Und trotzdem: Den Nymbus als Ort der Erholung, der Stadtflucht, in dem sich innerer Friede oder auch der tiefere Sinn des Lebens finden lassen, als Stätte der Fantasien und Märchen hat der Wald nie eingebüßt.
Hier setzt Michael Lange mit seinen Fotografien an. Sie entstehen in der Dämmerung, bevorzugt bei bedecktem Himmel oder Regenwetter. Mächtige Baumstämme wachsen in bläulichem Licht empor, Nebelschwaden ziehen träge in einen Birkenhain. Kein Lichtstrahl lenkt den Betrachter ab von der meditativen Stimmung, die von den Bildern ausgeht. Und immer wieder wird die aufkommende Melancholie aufgebrochen durch leuchtend grüne, frische Spitzen massiver Tannenzweige - eine Metapher für das immer sich erneuernde Leben.
Ganz anders ist der Ansatz von Olaf Otto Becker, der sich in den vergangenen Jahren vorwiegend mit den Spuren, die der Mensch in die Natur geschlagen hat, beschäftigte. In der Ausstellung wird ein Diptychon gezeigt, entstanden in den Münchner Isarauen, einem der wenigen noch verbliebenen Biotope hier. Die Fotos zeigen das undurchdringliche Chaos einer unberührt gebliebenen Natur. Es scheint, als wolle der Wald sich selbst schützen. Ein Gewirr aus sich lianenhaft ineinander verschlingender, verknoteter Pflanzen, noch frisch aber auch bereits abgestorben, ist zu sehen. Der regulierungswütige Mensch soll gefälligst draußen bleiben.
Thematisch ähnlich sind die Aufnahmen des amerikanischen Fotografen Richard Rothman. 2004 war er zum ersten Mal in den nordkalifornischen Redwoods unterwegs, kampierte drei Wochen lang in der Wildnis unter den mächtigen Baumstämmen, die ihn, wie er später sagte, wieder Demut lehrten. Auf den Schwarzweiß-Bildern, die wie nachträglich aufgehellt scheinen, fällt fahles Licht auf eine nur scheinbar unberührte Natur. Dass die vier aus der Reihe "Redwood Saw" gezeigten Fotos Teil einer soziokritischen Serie, die sich auch mit den benachbarten Bewohnern befasst, sind, lässt sich nur dem Begleittext zur Ausstellung entnehmen. Gezeigt wird davon nichts. Das ist bedauerlich, denn Menschen und Natur beeinflussen sich hier gegenseitig, leben voneinander und miteinander.
Ach Wald! Ach Mensch! Die kleine feine Schau ist brutal, melancholisch, sentimental - und macht Lust auf einen Waldspaziergang mit offenen Augen.
Bis zum 7. Juli in der Galerie f5,6, Ludwigstraße 7 in München, Mi-Fr 12.18 Uhr, Sa 11-15 Uhr. Eintritt frei