Rattelschneck bei Truk Tschechtarow
Ein Fleischsalatbrot als Hauptdarsteller - skurril und subversiv
In der Ausstellung "Ich? Ich bin Karikaturist" sind Comics und Cartoons des Zeichner-Duos Rattelschneck zu sehen.
Hund sans scho, die Leute der Schwabinger Galerie Truk Tschechtarow. Vor einigen Wochen erst verkündeten sie ihr vorzeitiges Aus, weil die Galerieräume als Verkaufsbüro der Immobilienfirma "Goldgrund" benötigt würden, die an der Münchner Freiheit ein "Traumobjekt für finanzielle Highperformer" anbietet. Nun plötzlich ist die Galerie wieder da und setzt mit den Arbeiten von Rattelschneck gleich ein Ausrufezeichen gegen das drohende Bauunglück.
Ehepaar vor Schaufenster, darin eine rote Handtasche, davor ein Schild "Verkauft", darüber das Ladenschild "Immobilien und Handtaschen". Sie zu ihm: "Vielleicht platzt die Immobilienblase und Makler müssen sich was Neues überlegen, aber die Methoden bleiben". Realsatire!
Eine der Hauptfiguren der Comics ist die fett mit Margarine und Fleischsalat belegte Brotscheibe "Stulli". Sie würde so gern gegessen werden, was ihr nicht gelingt. Eine Stulle zur Comic-Figur zu machen ist allein schon schräg und subversiv. Ihre Abenteuer, die regelmäßig in Titanic erscheinen, sind es erst recht. Andere Figuren sind "Bubu & Baba" mit ihrem fliegenden Teppich, die "Skyfuckers", "Wonderbra Bernd" oder "Lebkuchen Jonny". Die gezeichneten Geschichten erzählen alltägliche Bedrückungen wie den Angstfantasien des Spaziergängers, von einer Seifenkiste überrollt zu werden, nur weil ein Frisbee an ihm vorbeirollt ("Neulich im Park").
Rattenschneck waren einmal fünf und sind heute noch zwei. Der Name entstand etwa 1984 und ist die ironische Ableitung vom englischen Wort rattlesnake. Heute wirken unter dem Pseudonym die Zeichner Marcus Weimer und Olav Westphalen, beide Jahrgang 1963. Sieben Bücher haben sie veröffentlicht und die Arbeiten erscheinen in vielen Zeitungen und Zeitschriften wie FAZ, SZ - in der Ausstellung wird das Geheimnis der "SZ-Wochenende-Themenkonferenz-Keksdose" gelüftet, was manches erklärt -, Die Zeit oder taz . Rattelschneck lebt zur Zeit in Berlin beziehungsweise Stockholm, "mit seiner Freundin und seiner Frau mit zwei Kindern", wie dem Text zur Ausstellung zu entnehmen ist.
Die Zeichnungen greifen die ganze Palette möglicher Stimmungen auf und beweisen, dass Cartoons nicht auf Teufel komm raus witzig oder komisch sein müssen, aber subtil ironisch sein können.
Ein junger und ein alter Eskimo schippern in ihren Kajaks auf dem Eismeer herum. Der Junge sinniert darüber, dass es wegen der Klimaerwärmung kaum noch Eisschollen gäbe, auf die man die alten Eskimos zum Sterben setzen könne. Dabei freut sich der Alte gerade, das es "so schön barrierefrei hier" ist. Lebensnah wir der Vorteil von Stehtuben dargestellt. Und endlich wird ein großes Unrecht beseitigt: Der vierte Affe kommt zu Ehren! Die drei Affen, die nichts sehen, nichts hören und nichts sagen, kennt jeder. Aber die Nummer Vier...
Das ist fröhlich, geistreich, macht Lachen und ist gerade auch für finanzielle Lowperformer empfehlenswert.
Bis zum 29. Juli 2012 in der Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauserstr. 16 in München, Mi-Fr 17-22 Uhr, Sa und So 14-19 Uhr. Eintritt frei
Nachtrag am 2. August 2012: Die Ausstellung wurde bis zum 16. September 2012 verlängert.