Jahresausstellung 2012 der Kunstakademie
Bunte Vielfalt, ein Garten der Lüste - Und ein Nachruf
In der diesjährigen Jahresausstellung, die dem Maler und Glaskünstler Norbert Prangenberg gewidmet ist, präsentieren die Studierenden der Münchner Akademie der bildenden Künste ihre Arbeiten. Da geht es manchmal mit vollem Körpereinsatz zur Sache. Langeweile kommt selten auf.
Um es gleich vorweg zu sagen: Die Schau ist gelungen. Das hat nicht unmaßgeblich damit zu tun, dass die Akademieleitung den jungen Leuten die Möglichkeit und Chance geboten hat, die Präsentation zu einem wesentlichen Teil in eigener Regie zu kuratieren. Das hat sich ausgezahlt, denn im Gegensatz zu den zuweilen statischen, wenig inspiriert scheinenden Veranstaltungen der Vorjahre kann dieses Mal eine deutliche Belebung notiert werden.
In den Räumen
"Für Norbert" - Die Klasse Prangenberg hatte zwei Wochen zuvor einen Schlag hinzunehmen. Ihr Lehrer starb Ende Juni 2012 im Alter von nur 63 Jahren nach schwerer Krankheit. Die ehrliche Trauer um diesen bedeutenden Maler und Glaskünstler merkt man den Arbeiten, die in zwei Räumen gezeigt werden, nicht an. Kraftvoll, wie die Rauminstallation von Kris Buckley aus eingefärbtem (giftigem) Bauschaum, die in Form und Farbe an Blumen oder Gesteinsformationen erinnern, oder zart, fast lyrisch und mit Augenzwinkern ins Jenseits nachwinkend Luisa Koch mit "Sieben Todsünden", kleine Bronzeskulpturen auf sich drehenden Schreiben - die Arbeiten seiner Schüler umgeben die wohl letzten Werke des Meisters, die ebenfalls in der Ausstellung zu sehen sind. Das ist beeindruckend.
Die Klassen zeigen einen Überblick über ihre Semester-Projekte. Alle Jahrgänge sind vertreten. Auffallend häufig greifen die unterschiedlichen Disziplinen ineinander. Die Fotoklassen zeigen nicht nur Fotografie, sondern auch skulpturale Arbeiten oder Malerei (Dieter Rehm und Park Jungmin), die Klasse Oehlen kombiniert Karikaturen und Aquarelle mit Drums. Den von der Klasse Rehm bespielten Raum steigt man im Sinne des Wortes durch die Arbeit "broken hymen" von Claude Hilde, eine Latexhülle, die jeden Tag neu geschnitten wird. Der Besucher gerät in die Rolle eines Entjungferers zwischen Öffentlichkeit und Intimität.
Beeindruckend in ihrer technischen Ausführung sind die Video-Installationen "Mal Mole, mal Steg, mal Beckenrand", die Draufsichten auf Hafenlandschaften, durch die Schiffskörper kreuzen oder auch ein verirrter Wal, wie es scheint. Ein anderer Raum bietet Mitmach-Kunst: die Besucher können mit klassischen Radiergummis - die gibt es tatsächlich noch - an grauen Wänden beteiligen, aber eben nicht verewigen. Originell ist die Bodeninstallation "Zwei Hemden und zwei Pullovers" von Se Youm Kim (Klasse Olaf Nicolai), in der die KLeidungsstücke aufgedröselt und gehäufelt sind. Auch Kooperationen unterschiedlicher Klassen können überzeugen wie "Neon Golden" (Künzli und Deubl), wo gelb-bräunliche Doppelglas-Scheiben mit Arbeiten der Schmuckklasse bestückt sind.
Im Garten der Lüste
Der romantische Landschaftsgarten hinter der Akademie, sonst eher ein Hort der Ruhe, wird von mehr als 30 Studierenden belebt. Die Oberfläche des Teichs, bedeckt von grünen Wasserlinsen, wird täglich mit neuen Farben versehen (Matthias Wurm), gleich nebenan, auch noch nass, Fragmente einer lebensgroßen Installation, die aus lebensgroßen masturbierenden Frauen bestehen soll. Ein Schelm, wer angesichts der erst am Ufer verharrenden, dann ins Wasser schreitenden Nackten, die am Besuchstag zu sehen war, an Parallelen denkt.
"Map of Korea" Minyoung Paik hat ihr geteiltes Land als Tischtennisplatte dargestellt (Foto:Achim Manthey)
Originell, durchaus auch politisch ist die Arbeit der Südkoreanerin Minyoung Paik zu sehen: Sie präsentiert ihr geteiltes Land als Tischtennisplatte, deren Netz die Grenze der Teilung zwischen Nord und Süd bildet. Zwei Staaten, die sich nah und doch so fern sind, werden als Spielfläche der unterschiedlichen Interessen dargestellt. Ein Zeltbungalow nimmt in der Arbeit von Tamara Pridonishvili das Thema der Wohnungsnot in München auf, wobei die Anlehnung an die Architektur der neuen Studentenstadt am Olympiapark zu deutlich wird. Die anonyme Arbeit "Auch ich war in Arkadien" will Gefundenem und Weggeworfenen eine neue Bedeutung verleihen. Im Gartenhaus stellt sich die Präsentation "Vor- und Nachbilder" der Frage, was passiert, was entsteht, wenn Künstler die Arbeit anderer Künstler sehen. Gibt es eine Inspirationskette?
Das alles ist vielfältig, bunt, inspiriert, selten fad. Was weitgehend fehlt, ist die Auseinandersetzung mit den großen Themen der heutigen Zeit. Finanzkrise, Kriege, die tiefgreifenden Änderungen im sozialen Bereich, sie kommen nur am Rande vor.
Bis zum 22. Juli 2012 in und an der Akademie für bildende Künste in München. Täglich von 15 bis 21 Uhr. Eintritt frei.