John Greens ,Das Schicksal ist ein mieser Verräter'
Lachen und Lieben, Weinen und Weiterlesen
Der amerikanische Autor John Green schafft etwas, das nicht viele schaffen: Er bringt jugendliche Leser und Kritiker gleichermaßen zum Weinen. Er schreibt über große Gefühle, über Liebe und Tod, ohne dabei jemals ins Sentimentale oder Kitschige abzugleiten. Die Protagonistin seines neuen Romans ist 16 und hat Krebs. Dennoch ist „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ kein Problembuch – zu humorvoll, zu lebendig, zu poetisch ist die Geschichte erzählt.
Hazel, das Mädchen mit dem Sauerstoffgerät und den langsam aber stetig wachsenden Metastasen in der Lunge kommentiert ihre Erlebnisse pointiert und zynisch und lässt immer wieder ihr literarisches Wissen durchblitzen. Auf die Rolle der tapfer leidenden Patientin will sie sich nicht reduzieren lassen, und „Krebsbücher“ findet sie doof.
Wieder und wieder liest Hazel dagegen den Roman ihres Lieblingsautors Peter van Houten. Dieser Schriftsteller ist für sie „der einzige Mensch, der mir je begegnet war, der a) verstand, wie es sich anfühlt zu sterben, und b) nicht gestorben war“. Obwohl sie ihn nicht persönlich kennt, sieht Hazel van Houten als engen Freund.
Weniger gut aufgehoben fühlt sie sich in ihrer christlichen Selbsthilfegruppe. Statt sich an den deprimierenden Stuhlkreisen im Kirchenkeller zu beteiligen, sieht sie sich lieber „America's Next Top Model“ im Fernsehen an.
Eines Nachmittags zahlt sich der Besuch des Treffens jedoch aus: Hazel lernt Augustus kennen, der einen Freund zur Gruppe begleitet. Auch Augustus hat Krebs. Wegen eines Knochentumors hat er eineinhalb Jahre zuvor ein Bein verloren. Hazel verliebt sich in seine „provozierend schlechte Haltung“ und seine raue Stimme. Er sieht sie ständig an und findet sie genauso toll wie sie ihn.
Zwischen den beiden entsteht eine tiefe, ehrliche und ziemlich glückliche Teenager-Liebe. Ihre gemeinsamen Filmnachmittage, Videospiele und Picknicks im Park versetzen den erwachsenen Leser zurück in erste eigene Romanzen. Unwillkürlich erinnert man sich an all die philosophischen Gespräche über Bücher, Filme und das Leben im Allgemeinen, die in dieser Intensität nie wiederkehren.
Greens Roman ist eines dieser Bücher, die man am liebsten ewig weiterlesen würde. Trotz der stets präsenten Krankheit, trotz des immer drohenden Todes fühlt man sich bei Hazel und Augustus gut aufgehoben. Die beiden sind zynisch, natürlich und charmant; sie zeigen einander offen ihre Gefühle und meistern zusammen die Unsicherheiten der Pubertät.
Das Schicksal ist tatsächlich der einzige „miese Verräter“ in dieser Geschichte. Bei all den schönen Erfahrungen tritt der Krebs nie in den Hintergrund. Krankenhausaufenthalte und weinende Eltern sind ebenso präsent wie vergnügliche Unternehmungen. Immer wieder reden Hazel und Augustus über das Sterben. Über ihren „Krebsbonus“ amüsieren sie sich: Erwachsene erlauben ihnen in bestimmten Situationen deutlich mehr als gesunden Gleichaltrigen.
Dieses Buch rührt zu Tränen, ohne je sentimental oder schwermütig zu sein. Auf Greens Homepage liest man fast täglich neue Lob-Botschaften an den Autor, der in seinen Büchern so treffend beschreibt, was viele bewegt.
Green, der mit 35 Jahren bereits fünf Romane veröffentlicht hat, steht über das Internet in engem Kontakt zu seinen Lesern. Er hat weit über 100000 Facebook-Fans, und bei Twitter folgen ihm über eine Million Leser. Mehrmals wöchentlich produziert er Beiträge für seinen Video-Blog, die rege kommentiert werden. Der lebhafte Austausch zwischen Autor und Publikum gibt Greens vorwiegend jungen Lesern einen weiteren Anlass, sich bei ihm gut aufgehoben zu fühlen.
Katrin Kaiser
Hanser, 288 Seiten, 16,90 Euro
Autorenlesungen in München sind am Freitag, 14. September, 20.30 und 23 Uhr, Buchhandlung Lehmkuhl. Beide Veranstaltungen sind ausverkauft.