Zum Start des Dance-Festivals
Was ist Tanz, was ist es nicht?
Morgen eröffnet Dance 2012. Das Festival bietet seinen Besuchern dieses Jahr erstmals einen Experten-Service: Fünf Studentinnen der Theaterwissenschaften mit Schwerpunkt Tanz gehen auf Wunsch mit in die Vorstellung und erklären alles, was der Normalbürger nicht versteht. Kulturvollzug stellt einer der fünf Tanz-Weisen schon mal die wichtigsten Fragen.
Frau Sautier, warum brauchen die Dance-Besucher einen Experten?
Josefine Sautier: Gerade im Tanz haben die Leute häufig Berührungsängste. Ich kriege das ja auch im Freundeskreis mit. Viele denken nicht mal im Traum daran, ein Tanztheater anzusehen, obwohl ich oft denke, dieses und jenes wäre was für sie. Wir Expertinnen öffnen solchen potentiellen Zuschauern vielleicht neue Perspektiven.
Woher kommen die Hemmungen der Menschen, zeitgenössischen Tanz anzusehen?
Viele denken, wenn sie Tanz hören, an klassisches Ballett und große Theaterhäuser mit leicht verstaubtem Charakter. Etwas, wo nur noch unsere Großeltern hingehen. Ihnen ist gar nicht klar, was es heute unter dem Begriff Tanz alles zu sehen gibt. Tanz deckt mittlerweile so viel ab, vom Slapstick bis zum intellektuellen Theater. Da findet jeder etwas, das ihm gefällt!
Oft ist in der Avantgarde der Tanz nicht als solcher erkennbar. Es geht ein Mensch hin und her, die Bühne bleibt eine halbe Stunde dunkel, ein Nackter schwimmt in einem Tank... Das macht es dem Zuschauer schwer.
Theater von heute ist spartenübergreifend. Man muss weg von der Vorstellung, dass alles in klare Kategorien trennbar ist. Beim Avantgarde-Tanz ist es oft so, dass die Choreografen an eine Sache tänzerisch herangehen. Im Arbeitsprozess wird das, was wir auf Anhieb als Tanz erkennen, dann aber stark reduziert. Solche Stücke bedürfen bisweilen mehr Mühe sie zu verstehen, man muss sich auf den Künstler und seine Arbeitsweise einlassen. Ich muss sagen, dass wir im Institut ebenfalls viel darüber diskutieren, was Tanz ist und was nicht. Da gehen die Meinungen auseinander. Ich kann die Zuschauer jedenfalls beruhigen: Beim diesjährigen Dance-Festival gibt es viel erkennbaren Tanz.
Worin liegt beim modernen Tanz der Genuss für den Zuschauer?
Der zeitgenössische Tanz holt einen ganz tief im Innern ab. Er berührt, bringt zum Nachdenken oder zum Lachen. Gerade die witzigen Stücke sind so elementar in ihrer Aussage, dass sie wirklich bei jedem funktionieren.
Ihr Anfänger-Tipp aus dem Dance-Programm?
„Chicks for money and nothing for free“ von Kopergietery in der Schauburg am 27. und 28.10. dürfte lustig und leicht zugänglich werden. Auch die multimediale Vorstellung von Crystal Pite, „The Tempest Replica“ am 30. und 31.10., wird sicher interessant.
Der Dance-Experteneservice ist unter 089/2805607 oder info@spielmotor buchbar. Er kostet nur ein freiwilliges Trinkgeld, mindestens aber das Getränk, das die Expertinnen mit dem Zuschauer verplaudern.