Heute Kinder wird’s was geben: Die großartigen und lustigen Bubentraum-Träumer Fischli und Weiss in der Sammlung Goetz

von Michael Grill

Schlabberkatze "Büsi" im Video von Fischli und Weiss aus dem Jahr 2000. Foto: Courtesy Sammlung Goetz

Es ist und bleibt etwas mühsam, zur Kunst zu kommen, wenn sie sich in der Sammlung Goetz befindet. Das ehrgeizige Privatmuseum an der Oberföhringer Straße ist mit dem öffentlichen Verkehr nur unter größeren Verrenkungen zu erreichen; außerdem sollte man angemeldet sein, wenn man die Klingel zum Tor an dem Grundstück an der alten Isarhangkante drückt. Wer das alles auf sich nimmt, weiß was er sehen will und warum er das tut: In der Sammlung Goetz gibt es oft herausragende, kompakte Werkschauen zu sehen – enttäuscht wird man dort so gut wie nie. So auch bei der aktuellen Einzelausstellung des Schweizer Kunst-Duos Peter Fischli und David Weiss.

Bär und Ratte unterwegs - im Video "Der geringste Widerstand" von 1981. Foto: Courtesy Sammlung Goetz / T&C Film, Zürich

Das radikal minimalistische und dabei umso edler wirkende Goetz-Museum ist ein Frühwerk der (ebenfalls Schweizer) Architekten Herzog & de Meuron, die später die aufregendsten Stadien der Welt bauen sollten (von denen das im Münchner Norden neben dem Klärwerk nicht das beste ist). Inzwischen ist der Quader ein dezent gealterter Klassiker der Münchner Moderne, lange nicht mehr so umstritten wie in den Jahren nach seiner Fertigstellung und als grandioses Architektenwerk leider schon wieder etwas vergessen.

Lustig, vergänglich, belanglos? Im Obergeschoss der Sammlung, rechts das "Tier" von 1985. Foto: Courtesy Sammlung Goetz Foto / Thomas Dashuber, München

Auch so gesehen passen Fischli und Weiss, die in der Zürcher Punkszene anfingen, dann viele Jahre lang die coolsten Typen der eidgenössischen Konzeptkunstszene waren und heute etwas zu nah um die ganz großen Fleischtöpfe des Kunstbetriebs herumstreichen (ohne sich deswegen gleich zu korrumpieren) ganz besonders gut an diesen Ort der qualitätvollen, sorgenfreien Avantgarde.

Fischli und Weiss in rund 50 gut sortierten Einzelarbeiten und Arbeitskomplexen – das ergibt ein Tollhaus der Banalitäten, ein ironisches, augenzwinkerndes Fest des Alltagswahnsinns, ein haptischer Overkill an Marterialwechseln und kindlichen bis kindischen Spielereien. Kurz gesagt: Eine Riesengaudi. Bei der man öfter an Abgründe streift, als einem gleich gewahr wird.

Keine Antworten: Die "Fragenprojektion" (1981-2002). Foto: Courtesy Sammlung Goetz / Thomas Dashuber, München

Im Zentrum steht der Film „Der geringste Widerstand“, für den die Künstler 1981 erstmals und formfindend in die Konstüme von Bär und Ratte stiegen. Erst treiben sie durch die Welt amerikanischer Suburbs im Stile eines US-Roadmovies, dann lösen sie Welträtsel am verräucherten Stammtisch. Das sind Abenteuerwelten spinnerter Bubenköpfe, durch die man hier reist, und die einen bis ins Fischli-Weiss-Werk der Gegenwart begleiten. Da gibt es verunfallte Würste, neugierige Zigarettenstummel, monumental belanglose Flughafenvorfelder und eine schlabbernde Katze, scheinbar aus Matsche erstellte Modelllandschaften und Gummischallplatten – ein gigantischer Bastelladen.

Mitten ins Gekruschtel der Sprache und der Gedanken führt die über einen Zeitraum von Jahrzehnten entstandene „Fragenprojektion“, bei der in einem dunklen Raum im Rhythmus des Projektors Sätze an die Wand geworfen werden: „Soll ich mein eigenes Wohlbefinden ins Zentrum meiner Aktivität stellen?“, „Braucht es einen Umsturz?“, „Warum wird mein normales Benehmen so schlecht honoriert?“, „Wurzelt die Gemütlichkeit im Kuhstall?“ Es ist, wie wenn man seinem Gehirn beim routinierten Assoziieren zuschauen könnte und darf immer wieder überrascht sein, wie viele kluge Gedanken es im Belanglosen gibt.

Absurder Traum: Das großartige Video "Der Lauf der Dinge" (1981). Foto: Courtesy Sammlung Goetz / Thomas Dashuber, München

Im Obergeschoss, wohin das Finale der Ausstellung führt, sollte man als erstes nicht auf die Baustellen-Installation hereinfallen, denn selbst das Unfertige ist hier eine aus Hartschaum, Gips und Farbe gefertigte Absicht. Dann folgt ein großes Fischli-Weiss-Feuerwerk, überwiegend aus ihrer wahrscheinlich stärksten Phase, den 80ern. Vom Knuddel-„Tier“ aus Polyurethan über die Farbfotografie „Frau Birne bringt ihrem Mann vor der Oper das frisch gebügelte Hemd. Der Bub raucht“ bis zum Sturmgewehr aus ungebranntem Ton: Die Welt ist eine vergängliche Abfolge von lustigen Belanglosigkeiten. Warum sieht man sie trotzdem mit Ungeduld?

Wahrscheinlich liegt auch dafür eine Antwort in „Der Lauf der Dinge“, jener zum Video gearbeiteten größten aller Installationen von Fischli und Weiss von 1986/87. Gegen diesen absurden Buben- und Männertraum aus Experimenten und Versuchsanordnungen, der den Wunsch, der Welt einen logischen Ablauf einzuschreiben, bis zum spielerischen Wahnsinn treibt, ist jeder heutige Domino-Day auf RTL ein Kindergeburtstag, trotz aller phänotypischen Ähnlichkeiten. Zuletzt war dieses großartige 30-Minuten-Video über das Unaufhaltsame im Fragilen im Rahmen der Karl-Valentin-Ausstellung im Stadtmuseum zu sehen – es ist eine wunderbare Wiederbegegnung, für die sich alleine schon die Reise nach Oberföhring lohnt.

Sammlung Goetz: „Peter Fischli, David Weiss“. Bis 12. März, Oberföhringer Straße 103, Mo-Fr 14-18, Sa 11-16 Uhr, nach Anmeldung über Telefon 95939690.

Veröffentlicht am: 28.12.2010

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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