Cartoons von Gerhard Seyfried

Grüne und andere Gräser

von Achim Manthey

Passend zum aktuellen Wetter: Schellingstraße (c) Gerhard Seyfried

Die Ausstellung "Pop! Stolizei!" in München zeigt Klassiker und neuere Arbeiten des begnadeten Zeichners und Wortverdrehers Gerhard Seyfried. Das ist nicht immer fair, aber fast immer zum Schmunzeln.

"Haste Haschisch in den Taschen, haste immer was zu naschen." Die Münchner Schau führt zurück in jene Zeit der frühen 1970er Jahre, als das in den einschlägigen Kreisen ein geflügeltes Wort war. Gern nahm sich auch Gerhard Seyfried in seinen Arbeiten dieses Themas an. Das führt in "Hanf im Spiegel der Zeiten" rasch zum "Hanf im Glück", gezockt wird natürlich mit "Cannabis Playing Cards". Und noch in den "Hanfweisheiten" von 2001 wird die aus dem Minifernseher gebrüllte Weisheit "Kiffen macht gleichgültig" von den drei Typen, die sich um das Gerät versammelt und offenkundig den bewarnten Zustand erreicht haben, mit "Geht mir doch am Arsch vorbei", "Wen juckts?" und "Na und?" kommentiert.

Singe wem Gesang gegeben, dem Polizeigesangsverein zum Beispiel (c) Gerhard Seyfried

Die Obrigkeit, repräsentiert durch uniformierte Ordnungshüter, war der natürliche Feind der vorwiegend studentischen Jugend. Polizisten werden entsprechend dargestellt in den Karikaturen und Cartoons von Gerhard Seyfried, dessen Arbeiten zunächst in der ersten alternativen Stadtzeitung, der in Münschen erschienenen Blatt, die es zwischen 1973 und 1984 auf immerhin 247 Ausgaben gebracht hatte, veröffentlicht wurden. Der Chor des Polizeigesangsvereins, tumbe Gestalten mit zarter Feder aufs Papier geworfen, bringt allenfalls ein melodisches "Lalü, lalü, lalü" zuwege, dies allerdings in vollem Ernst. Und dass es für jedes Töpfchen auch das richtige Imbissbüdchen gibt, zeigt ein anderes Cartoon: Linkerhand ein Stand in rot mit Sowjet-Stern und zwei eher hippen Gestalten, der "Freakadellen" anbietet. Daneben auf rechts eine Bude in Grün mit Sheriff-Stern für die skeptisch-blöde nach nebenan glotzenden Ordnungshüter. Hier gibt's - klar! - "Bulletten".

Keine Frage: Der Künstler hat sich zu seiner hohen Zeit an den auf den Straßen brennenden Zeitfragen abgearbeitet und dabei eindeutig Position bezogen. 1948 in München geboren lernt Seyfried erstmal Industriekaufmann und macht anschließend eine Ausbildung zum Gebrauchsgrafiker bei Jopa-Eiscreme, die es als Gegengewicht zu Langnese tatsächlich mal gab. Ab 1966 studiert er Malerei und Grafik an der Akademie für das Graphische Gewerbe in München, wo er 1968 wegen eines Aufrufs zur Demonstration gegen die Notstandsgesetze der damaligen Großen Koalition - Sie erinnern sich? Das war die Sache mit der Aktenmappe auf dem Kopf beim nuklearen Angriff - rausflog. Er arbeitet als Grafiker für Werbeagenturen, ab 1971 als Karikaturist, gewinnt zahlreiche Preise. Ende 1976 geht er nach Berlin, wo er bis heute lebt und arbeitet. Irgendwann weicht das Zeichnen dem Schreiben. Seyfried verfasst historische Romane, zuletzt erschien jüngst "Verdammte Deutsche", eine Spionagegeschichte aus der Zeit vor dem ersten Weltkrieg. Hin und wieder aber zeichnet er noch, so 2011 für das rührende russische Comic-Projekt "Respect", das für Toleranz und Achtung der Menschen untereinander wirbt. Der kleine Comic-Band "Beauty Rules", an dem sich Seyfried beteiligte, wurde an allen russischen Schulen verteilt.

Abgeschossen mit der Zwille (c) Gerhard Seyfried

Einen Moon wollen sie alle. Der Comic nimmt den Werbewahn für ein neues Produkt, bei dem es völlig wurscht ist, worum es sich handelt, auf die Schippe und endet - fast folgerichtig - bei einem Wahlplakat "Wer einen Moon will, wählt Dr. Freund". Ein Schelm, wer Böses denkt angesichts der Farben der beworbenen Partei: Gelb-blau. Martialisch-dümmlich grüßt Berlin als "Polizei-Paradies" und die "Gleichschaltung der Presse" zur Vermeidung öffentlicher Meinungsbildung ist eh klar. Erhellend sind die zahlreichen Skizzenblätter, die in der Ausstellung zu sehen sind. Sie zeigen den intensiven Arbeitsprozess, der hinter der fertigen, veröffentlichungsreifen Zeichnung steht. Akribisch gibt Seyfried seine Vorstellungen vor. An dem Entwurf von "Denkmal den Barrierekämpfern der Osterfeiertage" vermerkt er mit der Hand "Ausführung in griechischen Stil, 1948er Revolution, sozialistischem Realismus, bekannte deutsche Heldenszene - Wenn's das gibt". Gedächtnisstütze für sich selbst.

Sicher, man mag das alles heute differenzierter, auch fairer sehen wollen. Karikatur musste das allerdings damals wie heute nicht. Glücklicherweise.

Bis zum 10. Februar 2013 in der Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauserstraße 16 in München, Mi-Fr 17-22 Uhr, Sa/So. 14-19 Uhr, Eintritt  frei

 

Veröffentlicht am: 28.01.2013

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