Neuer Pavarotti mit Knallfröschen aus Recklinghausen: Vittorio Grigolo in der Philharmonie
Der italienische Tenor Vittorio Grigolo (hier eine Aufnahme von einem Film-Set) Foto/©: Rada Films / Cristiano Giglioli
Am Schluss kniete er nieder, presste den Blumenstrauß an die Brust, bat um Ruhe und erklärte, dass er alles gegeben habe: „Aber es waren nicht einhundert Prozent.“ - Zwei Stunden zuvor hatte sich Vittorio Grigolo wegen einer Indisposition entschuldigen lassen. Die Fans in der gut besuchten Philharmonie klatschten danach nur noch enthusiastischer.
Er ist jung (33), sieht gut aus und kann auf einige Jahre Berufserfahrung zurück blicken. Jetzt, nach einem schönen „Rigoletto“-Film, bei dem er den Herzog verführerisch sang und spielte, haben offenkundig geschickte Musikmanager für ihn die Lücke reserviert, die Luciano Pavarotti hinterlassen hat. Doch der Weg dahin ist noch weit.
Zusammen mit der prächtigen Sonya Yoncheva sang Vittorio Grigolo ein Duett aus Donizettis „L´elisir d´amore“ heiter, unbeschwert, hinreißend. Schade, dass er den Hit „Una furtiva lagrima“ danach mit allzu vielen manierierten Kunstpausen befrachtete.
Früher Verdi („Il Corsaro“), Puccini („La Boheme“) und einige italienische Lieder erklangen direkt und nachdrücklich. Mit Kraft schmetterte sich der neue Superstar am Tenorhimmel in die Herzen seiner Fans. Klangliche Valeurs waren ausgespart.
Wo die Stimme im Ausdruck zurück bleibt, greift der Sänger zu erlaubten Bühnentricks. Wie ein Tiger im Käfig eilte er auf dem Podium umher, fand schnell den Kontakt zum Publikum und umgarnte galant seine Partnerin. Die bulgarische Sopranistin machte es ihm nach und wagte beim „Kuß“-Walzer von Arditi ein Tänzchen mit einem Herrn aus der ersten Reihe.
Allenfalls das Orchester trübte diese muntere Zirkus-Gala. Die Neue Philharmonie Westfalen unter dem temperamentvollen Dirigenten Pier Giorgio Morandi mag für den Veranstalter kostengünstig gewesen sein, war aber vor allem im federleichten zweiten Teil nur laut: Knallfrösche aus Recklinghausen.
Volker Boser
Vittorio Grigolo: "The Italian Tenor" (CD bei Sony)