Interview mit Gunther Eckes über den "Sturm" im Marstall

"Da kann man sich auch Josef Fritzls Keller vorstellen"

von Sebastian Berger

"Die Bühne soll eine Todesfalle darstellen." Foto: Andreas Pohlmann

Vor einem Jahr stellte sich  der isländische Regisseur Gísli Örn Gardarsson erstmals in München vor mit Kafkas „Verwandlung“. Nun inszeniert Gardarsson Shakespeares „Sturm“ im Marstall. Gunther Eckes spielt den Luftgeist Ariel, der für den Magier Prospero (Manfred Zapatka) Zauberkunststücke vollbringen muss. Wir befragten ihn zu seiner Interpretation der Figur, seiner Karriere und seiner neuen Heimat München.

 

Herr Eckes, Gardarsson ist bekannt für physisch extreme Arbeit - er war mal Turner. Wie ist das im „Sturm“?

Die Inszenierung ist sehr körperorientiert. Die Bühne soll eine Todesfalle darstellen und ist mit stählernen Gittern und Klappen nicht ungefährlich. Das geht an Grenzen.

Der Luftgeist Ariel wird gern artistisch inszeniert.

Ich versuche, ihn nicht so luftig und zirzensisch zu spielen. Dafür fliegen andere Figuren – an Bungee-Seilen. Wir sehen ihn nicht so sehr als servilen Luftgeist, sondern etwas dämonischer. Vom Namen Ariel zur biblisch-mythologischen Rachefigur Uriel ist es nicht weit. Ariel ist auch bockig und pocht auf seinen Vertrag mit Prospero, der ihm die Freilassung versprochen hat. Vielleicht hat er mehr in der Hinterhand, als man denkt.

War die Körperarbeit eine große Herausforderung für Sie?

Ja, aber eine, der ich mich gerne stelle. Ich arbeite gern außerhalb der Wohlfühlzone. Auf der Bühne bin ich bereit, mich zu quälen, privat nicht. Das ist ja auch ein theatraler Moment, dem Schauspieler bei der Arbeit zuzusehen. Theater ist dann spannend, wenn es auch Tanz und Bewegung ist. Im besten Falle funktioniert eine Szene auch ohne Ton.

Arbeitet gern außerhalb der Wohlfühlzone: Gunther Eckes. Foto: Julian Baumann

Der Zauberer Prospero entfesselt den Sturm, um seinen Bruder und dessen Verbündete zu bestrafen, die ihn als Herzog aus Mailand vertrieben und auf der Insel ausgesetzt haben.

Prospero hat zwölf Jahre auf seine Rache gewartet und darauf hingearbeitet. Nun will er unversöhnlich seine Feinde zur Strecke bringen - das ist meistens Ariels Job. Da wird auch gekämpft und am Ende herrschen nicht Milde und Güte.

Will Prospero also nicht nur den anderen ihr Unrecht bewusst machen?

Wir wollen die allzu verklärte Sicht auf Prospero aufbrechen. Das werden sicher manche Leute kritisieren. Wenn er die Vorgeschichte erzählt, glaubt man ihm, denn man kennt ja die Version der Gegenseite nicht und weiß nicht, ob er wirklich so beliebt beim Volk war. Auf der Insel jedenfalls hat er erst einmal die Bewohnerin Sycorax weggefegt und deren Sohn Caliban versklavt. Auch diese Wohngemeinschaft ist ja seltsam: Ein älterer Mann mit seiner 14-jährigen Tochter und dem halbdebilen Caliban. Da kann man sich auch Josef Fritzls Keller vorstellen.

Sie hatten in Ihrer Heimatstadt Boppard keinen Kontakt zum Theater. Wie kamen Sie zur Schauspielerei?

Mit 15 habe ich ein Schulkonzert moderiert und  -  um Zeit zu überbrücken -  400 Zuhörer zum Singen gebracht. Von da an hat mich die Bühne fasziniert. Aber erst drei Jahre später entdeckte ich in Koblenz ein Jugendtheater, das auf einer offenen Bühne jedem die Chance gab, sich auszuprobieren. Da habe ich nach dem Zivildienst vier Jahre mitgemacht und vorgesprochen an Schauspielschulen. An der Bayerischen Theaterakademie bekam ich ein vernichtendes Urteil - ich solle bitte nicht diesen Beruf ergreifen. Diese erschütternde Nachricht auf dem AB habe ich mir oft als Motivationskassette angehört.

In Hamburg hat es dann schließlich geklappt.

Auf den letzten Drücker. Beinahe hätten sie mich nicht genommen, weil ich bei Schulbeginn schon 25 war.  Das war ein Gottesentscheid.

Nach dem Abschluss waren Sie zwei Jahre in Düsseldorf, seit 2011 sind Sie am Residenztheater. Haben Sie sich in München eingelebt?

Anfangs war es nicht einfach. Hier als Schauspieler eine Wohnung zu suchen, ist ein Himmelfahrtkommando. Da sind mir unglaublich viele Klischees entgegen geschlagen. Eine Vermieterin erklärte mir, die anderen Mieter müssten ja arbeiten, während Schauspieler abends doch feiern würden. Aber jetzt hab' ich eine schöne Wohnung und bin happy hier.

Marstall, Sonntag (20. Oktober 2013, 19 Uhr) Premiere, ab Montag 20 Uhr, Telefon 2185 1940

Veröffentlicht am: 20.10.2013

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